München/Frankfurt – Die Lufthansa überlegt wohl konkreter als in der Vergangenheit, ihren juristischen Sitz von Köln in absehbarer Zeit in Richtung Süden der Republik zu verlegen. Dabei gilt offenbar München vor Frankfurt als Favorit. Lufthansa-Sprecher Martin Leutke bestätigte am Freitag im Kern den Bericht eines Mediendienstes, betonte aber nachdrücklich, dass es aktuell nicht mehr als Gedankenspiele seien. „Es ist richtig, dass es Überlegungen hinsichtlich des juristischen Sitzes der Deutschen Lufthansa gibt“, sagte er, ohne mögliche Standorte zu erwähnen. „Diese Überlegungen sind in einem sehr frühen Stadium. Weder ist eine Vorentscheidung, geschweige denn eine Entscheidung gefallen.“ Auch für die nächste Hauptversammlung der Lufthansa am 9. Mai in München werde es dazu keinen Tagesordnungspunkt geben.
Faktisch hätte die Verlegung des juristischen Sitzes für den eigentlichen Betrieb und die unternehmerische Führung der Airline ohnehin wenig Bedeutung. Es ginge vor allem um das zuständige Finanzamt. Allerdings würde die Sitzverlegung nicht automatisch zu neuem Gewerbesteuersegen in der Münchner Flughafenregion führen. Denn entscheidend für den Gewerbesteueranteil ist die Summe der Löhne, die künftig in München gezahlt würden, erklärt der Steuerberater und Experte für Unternehmensbesteuerung Michael Reitsam. Die Lufthansa müsste also schon größere operative Einheiten nach München verlegen, damit sich das steuerlich auswirken würde.
Der größte Airline-Konzern Europas wird aktuell vom Lufthansa Aviation Center (LAC) am Frankfurter Flughafen und vom Lufthansa Flight Operations Center am Münchner Flughafen gesteuert und organisiert. Freilich wurde der juristische Sitz der Lufthansa Aktiengesellschaft mit dem Start des Flugbetriebs nach dem Zweiten Weltkrieg am 1. April 1955 in Köln verankert. Das ist heute noch so. Über die Jahre ist der Standort am Rhein aber immer kleiner geworden und hat an Bedeutung verloren. Immer wieder wurde über eine Verlegung des Sitzes debattiert. Entscheidungen freilich gab es nie.
Es gäbe aktuell zwei Optionen für die Verlagerung des rechtlichen Sitzes. Frankfurt (Kürzel FRA) würde passen, weil es der größte Standort der Airline ist und hier auch das 2006 fertiggestellte Lufthansa Aviation Center (LAC) steht, im dem der Vorstand und alle zentralen Abteilungen untergebracht sind. Vor allem vom Main aus wird der Flugbetrieb gesteuert. Hier werden auch alle wichtigen unternehmerischen Entscheidungen getroffen. In Frankfurt steht auch die große Halle für die Wartung des doppelstöckigen A 380, der eigentlich schon ausgemustert war, aber aufgrund der starken Nachfrage nach der Corona-Pandemie im Sommer wieder in Dienst gestellt werden soll. Fraport hat 2012 einen eigenen Trakt am Terminal 1 gebaut mit Gates ausschließlich für Großraumjets der Lufthansa.
Allerdings ist der Standort München (MUC) in den letzten Jahren für Lufthansa als zweites Drehkreuz in Deutschland immer wichtiger geworden. Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr, der auch in München wohnt, hat hier genauso ein Büro wie andere Vorstände. Ihm wird nachgesagt, dass er die bayrische Landeshauptstadt als juristische Heimat favorisiert. Daneben sitzt der für den weltweiten Ticket-Verkauf zuständige Top-Manager in der bayrischen Landeshauptstadt, ebenso der für die Drehkreuze der Lufthansa in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Belgien verantwortliche Chef. Auch etliche der für die Netzplanung und das Marketing zuständigen Beschäftigten agieren von München aus. Nicht zuletzt haben MUC und Lufthansa vor 20 Jahren gemeinsam das Terminal 2 hochgezogen und betreiben es gemeinsam. Fakt ist auch, dass es in Frankfurt immer wieder Reibereien zwischen der Lufthansa und dem Flughafenbetreiber Fraport gibt, vor allem um die Gebühren und Probleme im Flugbetrieb. Nicht umsonst verlegt Lufthansa immer wieder auch Langstreckenjets von Frankfurt nach München. Das soll auch für mehrere A 380 gelten, die Lufthansa ab Sommer oder Frühherbst nach und nach wieder in Dienst stellen will.