Zum neunten Mal seit 2006 hat das ZEW Mannheim im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen die Standortbedingungen von 21 Industriestaaten verglichen. Das Ergebnis dieses „Länderindex Familienunternehmen“ ist für Deutschland ernüchternd. Gegenüber dem letzten Stand von 2020 ist Deutschland weiter von Rang 14 auf Rang 18 abgerutscht.
Auch wenn der deutsche Punktwert nur knapp hinter Frankreich, Japan oder der Slowakei liegt, so ist die Abwärtstendenz nicht wegzudiskutieren. Noch beunruhigender ist die langfristige Entwicklung: Im Vergleich zur Erstberechnung von 16 Jahren ist der deutsche Industriestandort sogar um sechs Rangplätze abgestiegen. Uneinholbar vorne liegen nicht nur die USA und Kanada, sondern auch kleine europäische Länder wie die Schweiz, Schweden und Dänemark.
Ausgangspunkt des Rankings ist eine Standortbetrachtung aus der Perspektive großer Familienunternehmen. Der Länderindex bezieht eine Vielzahl von Indikatoren aus sechs Themengebiete ein. Diese umfassen: „Steuern“, „Arbeitskosten, Produktivität, Humankapital“, „Regulierung“, „Finanzierung“, „Infrastruktur und Institutionen“ und „Energie“. Konzeptionell sind die Indikatoren so umfassend gewählt, dass immer Kosten und Nutzen des Arbeitseinsatzes oder von staatlichen Eingriffen und Regulierungen Berücksichtigung finden. Beispielsweise werden die Arbeitskosten zusammen mit der Arbeitsproduktivität betrachtet.
Das erklärt, dass Hochlohnstandorte wie die Schweiz oder Schweden ganz vorne im Ranking zu finden sind. Beim Thema Regulierung wird nicht einfach nur die Regulierungslast etwa an den Arbeitsmärkten und in der Mitbestimmung berücksichtigt. Zusätzlich werden Indikatoren zum sozialen Frieden wie die Anzahl der Streiktage berücksichtigt. Somit kann auch ein hoch regulierter Standort gut abschneiden, wenn die Regulierung messbare Vorteile bringt.
In Bezug auf den Fiskus wird nicht nur die Steuerlast betrachtet, sondern auch die Qualität der damit bereitgestellten Infrastruktur. Auf diese Weise können auch Hochsteuer-Standorte immer noch gut abschneiden.
Deutschlands Problem in dieser Betrachtung ist, dass der Staat Unternehmen zwar durch hohe Steuern und Regulierungslasten im internationalen Vergleich sehr stark belastet, aber keine adäquate Gegenleistung bietet.
Der einzig überzeugende Aktivposten des deutschen Standorts ist der Bereich der Finanzierung, in dem Deutschland im Ranking sogar die Spitzenposition einnimmt. Grund dafür ist die gute finanzielle Situation des Privatsektors und der öffentlichen Haushalte. Bei den Steuern hat Deutschland hingegen kontinuierlich Boden verloren, weil die meisten anderen Industriestaaten nicht nur Gewinne geringer besteuern, sondern auch bei den für Familienunternehmen wichtigen Erbschaftsteuern weniger stark zugreifen oder sogar ganz darauf verzichten.
Sehr stark abgerutscht ist Deutschland in den letzten Jahren in der Beurteilung seiner Regulierungslasten. Zum Abstieg im Ranking hat außerdem beigetragen, dass die Qualität der Infrastruktur nicht mehr mit den Spitzenstandorten mithalten kann. Den hohen Arbeitskosten stehen noch dazu sich weiter verschlechternde Indikatoren zum Erfolg des Bildungssystems gegenüber. Hinzu kommen die bereits vor der Krise überdurchschnittlich hohen Strompreise, zu denen nun hohe Gaspreise getreten sind. In guten Jahren sehen Wähler und Politik offenbar kaum einen Anlass für politisch schwierige Reformen. Stattdessen stehen Leistungsausweitungen und neue Regulierungsideen im Vordergrund.
Dass die kleineren europäischen Staaten nicht in diese Reform-Lethargie verfallen sind, ist ein bekanntes Muster. Diese sind viel schneller in ihrem Wohlstand bedroht als große Staaten, wenn sie an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Genauso wie ökonomisch gute Jahre zur Passivität der Wirtschaftspolitik führen, sind Krisenzeiten Zeiten für Reformchancen. Auch dafür gibt es aktuell Belege, wenn man beispielsweise betrachtet, wie schnell in Deutschland plötzlich Genehmigungsverfahren für Flüssiggasterminals laufen können.
Die gegenwärtige Krise sollte daher als Chance zur Umkehr begriffen werden, vor allem zum Abbau lähmender Regulierungslasten. Die Steuerpolitik, die bisher völlig auf Verteilungsfragen verengt ist, sollte zusätzlich Fragen der Wettbewerbsfähigkeit wieder stärker in den Blick nehmen.
Für den Arbeitsmarkt kommt es aus Sicht der Familienunternehmen darauf an, dass die Schulen ihren Bildungsauftrag in Bezug auf Grundfertigkeiten in Sprache und Mathematik wieder erfüllen können. Wird die aktuelle Krise dafür genutzt, diese Reformaufgaben anzupacken, dann könnte Deutschland im nächsten Ranking vielleicht schon wieder einige Rangplätze gutmachen.
Zum Autor
Friedrich Heinemann leitet den Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg.