München – ChatGPT ist erst seit November öffentlich zugänglich, trotzdem hat der Textroboter bereits 100 Millionen neue Nutzer, ist damit also schneller gewachsen als das Netzwerk Instagram, das dafür etwa zwei Jahre brauchte. Doch wieso sollte das System, das im Test unserer Zeitung den Rheinländer Konrad Adenauer irrtümlich für einen Bayern hielt, das Internet und die Art, wie wir uns dort bewegen, revolutionieren? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist ChatGPT und was kann das System?
ChatGPT ist eine Software, der man Fragen stellen und komplexe Aufgaben geben kann. Mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) wertet sie nicht nur enorme Daten- und Textmengen in Echtzeit aus, sondern verknüpft das mit einer kreativen Leistung und formuliert flüssige Antworten. Deshalb kann das System alle möglichen Texte erstellen, etwa E-Mails, Aufsätze oder Artikel. Es schreibt sogar Computercodes, Webseiten oder Businesspläne. Das alarmiert auch Schulen und Universitäten, schließlich könnte mit der Software gemogelt werden. Wirklich verlassen kann man sich auf ChatGPT bisher aber nicht, wie viele Tests zeigen. Der Bayerische Rundfunk ließ die Software zum Beispiel das bayerische Abitur schreiben – sie ist in mehreren Fächern krachend durchgefallen. Das System war trotzdem so gefragt, dass die Seite im kostenlosen Testlauf oft überlastet war. Nun gibt es ein Abo für 20 Dollar im Monat.
Was hat Microsoft mit ChatGPT zu tun?
Microsoft ist mit Milliarden an der Firma OpenAI beteiligt, die ChatGPT entwickelt hat. Nun will der Technologieriese die Software in seine Systeme integrieren. Zum einen soll ChatGPT in die Plattform Microsoft Teams integriert werden, um etwa Videokonferenzen zu protokollieren, Notizen zu erstellen oder Vorlagen für Nutzer zu erarbeiten. Zum anderen will Microsoft seine Suchmaschine Bing mit ChatGDP aufpeppen, wie der Konzern diese Woche mitteilte. Diese konnte bisher nur Seiten im Netz suchen und zu diesen weiterleiten, nun soll sie ein echter Begleiter im Netz werden. Bei der Demonstration der neuen Bing-Funktionen stellte die Suchmaschine mithilfe von ChatGPT eine fünftägige Mexikoreise für einen Nutzer zusammen. Sie kann außerdem beispielsweise Ersatzprodukte für Eier in einem Rezept suchen oder Tipps für Veranstaltungen in der Nähe geben. Dem Browser Edge von Microsoft soll sie bald ermöglichen, zum Beispiel lange Dokumente wie Quartalsberichte oder Gutachten zusammenzufassen und dem Nutzer Fragen dazu zu beantworten. Microsoft will damit also die Art ändern, wie wir uns im Internet bewegen und informieren – was ein Angriff auf den Platzhirsch Google ist. „Heute beginnt das Wettrennen“, kündigte Microsoft-Chef Satya Nadella an. Anleger sehen offenbar Vorteile für Microsoft: Die Microsoft-Aktie stieg im letzten Monat um rund 20 Prozent.
Was bedeutet ChatGPT für Marktführer Google?
Google will natürlich seine Vormachtstellung im lukrativen Markt mit Suchanfragen verteidigen. Denn durch die Anfragen kann die Suchmaschine Daten von Nutzern sammeln, Personenprofile erstellen und so durch den Verkauf individueller Werbung viel Geld verdienen. Im letzten Quartal waren es bei der Google-Mutter Alphabet insgesamt 76 Milliarden Dollar, mehr als die Hälfte davon kam aus dem Kerngeschäft. Google ist im Moment die meistbesuchte Webseite und bedient neun von zehn Suchanfragen. Bing von Microsoft kommt bisher nur auf drei Prozent, das meistgesuchte Wort dort lautet: Google. Noch zeigt die Google-Suche aber nur passende Internetlinks zum Thema an und verweist eingebettet auf Datenbanken wie Wikipedia. Mit der Integration von ChatGPT in Bing bringt Microsoft nun Google unter Zugzwang.
Wie reagiert der Suchmaschinen-Gigant?
Google hat am Montag ebenfalls einen Chatbot vorgestellt: Bard. Auch er soll auf Anfragen mit ausformulierten Sätzen antworten und dabei Künstliche Intelligenz nutzen. So soll er Nutzern auf Basis ihrer Vorlieben etwa zwei Filme vorschlagen und diese miteinander vergleichen können. Was genau er wirklich leistet und wo die Unterschiede zu ChatGPT liegen, blieb bei der Präsentation von Bard aber ziemlich vage. Das lässt darauf schließen, dass Google momentan im Hintertreffen ist und die Vorstellung überstürzt als Reaktion auf Microsoft angesetzt wurde. Laut Google-Chef Sundar Pinchai wird es zunächst eine Modellversion geben, bei der man mit ausgewählten Nutzern Erfahrungen sammeln will. Erst dann soll „in wenigen Wochen“ eine komplette Version öffentlich zugänglich sein. Bereits in der Demonstration des Chatbots gab es aber offensichtlich einen peinlichen Faktenfehler: Bard hatte dort behauptet, das James-Webb-Weltraumteleskop habe das erste Bild eines Planeten außerhalb unseres Sonnensystems aufgenommen. Später stellte ein Astrophysiker klar, dass das erste Foto eines Exoplaneten von der Europäischen Südoststernwarte ESO in Chile stammt. Anleger waren enttäuscht, die Aktie des Konzerns stürzte daraufhin um sieben Prozent ab.
Arbeiten auch andere Konzerne an KI?
Sehr viele, etwa alle großen Technologiekonzerne wie Amazon, Apple, Baidu, Facebook, IBM, Salesforce, Samsung, Splunk oder Tencent. Amazon nutzt Künstliche Intelligenz etwa bei der Logistik, Salesforce oder Splunk bei der Auswertung von Kundendaten und Apple beim Sprachassistenten Siri. Künstliche Intelligenz ist so gut wie überall einsetzbar, vom autonomen Fahren über die Verwaltung von Kunden- oder Patientendaten bis zur Industrieproduktion. Auch große Autobauer wie BMW oder Audi setzen künstliche Intelligenz in ihren Fabriken ein, zum Beispiel bei der Qualitätskontrolle und künftig wohl auch stärker bei Arbeitsprozessen. Zudem gibt es in jeder Nische Unmengen an innovativen jungen Firmen. Verbraucher können bereits viel Software mit KI nutzen, etwa den Übersetzer DeepL, den Präsentations-Ersteller Beautiful.ai oder die Software Fireflies, die Audiodateien oder Gespräche in Texte transkribiert.