Berlin – Die Kosten für die Abgasnorm Euro-7 sind nach Schätzungen des Bundesverkehrsministeriums weit höher als bisher von der EU-Kommission angegeben. Experten des Ministeriums ermittelten den Mehraufwand für einen Wagen der Mittel- oder Oberklasse auf bis zu 400 Euro. Leichte und mit Diesel betriebene Nutzfahrzeuge würden pro Stück sogar bis zu 900 Euro mehr kosten, wie ein Ministeriumssprecher auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa in Berlin bestätigte. Zuvor hatte die „Neue Berliner Redaktionsgesellschaft“ berichtet.
„Der Preis für den Kunden ist höher, da je nach Gesamtstückzahl entsprechend Entwicklungskosten und Händlerrabatte aufgeschlagen werden“, heißt es demnach in einem Vermerk des Ministeriums. Für schwere Nutzfahrzeuge werde es besonders teuer. Hier sei mit Mehrkosten zwischen 2500 und 4000 Euro zu rechnen, schreiben die Experten von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). So müssten verbesserte Katalysatoren und auch neue Bremssysteme verwendet werden. Schlimmstenfalls würden die Autohersteller durch Euro-7 gezwungen, in alle Fahrzeuge nur noch Automatikgetriebe einzubauen.
Die Abgasnorm Euro-7 soll nach den Plänen der EU-Kommission von Juli 2025 an gelten. In ihrem Vorschlag hatte die Kommission die durch die strengeren Regeln verursachten Mehrkosten für Pkws laut ADAC auf 90 bis 150 Euro veranschlagt. Für schwere Nutzfahrzeuge sollen sich die Kosten laut EU-Angaben um 2700 Euro erhöhen. Die Industrie hatte das als zu niedrig bezeichnet, aber keine genauen Angaben gemacht.
Die EU-Kommission hatte im November Vorschläge für die neue Abgasnorm abgegeben. Dabei soll es erstmals ein gemeinsames Regelwerk für Pkws, leichte Nutzfahrzeuge und Lkws geben. Dabei würden die C02-Emissionen gar nicht strenger limitiert, dafür unter anderem aber der Stickoxid-Ausstoß. Diese Verbindungen standen auch im Zentrum des Abgasskandals, in dessen Folge mehrere Städte teilweise Diesel-Fahrverbote erlassen hatten. So sollen Dieselfahrzeuge fortan nur noch so viel Stickoxide produzieren dürfen wie Benziner, was die Stickoxid-Emissionen bei Autos und Transportern um 35 Prozent und bei Lastwagen um 56 Prozent senken würde. Bei Autos soll es zudem künftig Grenzwerte für Ammoniak geben, der eine Schlüsselrolle bei der Bildung von Smog spielt. Außerdem sollen erstmals die Partikelemissionen von Bremsen sowie der Mikroplastik verursachende Abrieb von Reifen begrenzt werden. Die Fahrzeuge sollen die Messwerte zudem in deutlich mehr Fahrsituationen im Straßenverkehr und auf Pendlerkurzstrecken einhalten und nicht nur auf dem Prüfstand.
Es ist derzeit vorgesehen, dass die neuen Regeln für Pkws Mitte 2025 beziehungsweise für Lkws und Busse 2027 in Kraft treten sollen. EU-Staaten und Europaparlament müssen noch über das Vorhaben verhandeln und sich auf eine gemeinsame Linie verständigen. Von den Autoverbänden gibt es jedoch massive Kritik an den Plänen. Diese zielt nicht nur auf die höheren Kosten, die Euro-7 verursachen könnte.
So bemängelt der Autoverband VDA, dass es für die Hersteller kaum möglich sei, bis 2025 neue Motor- und Abgassysteme zu entwickeln und deren Einbau von den Behörden genehmigen zu lassen. Besonders für schwere Nutzfahrzeuge und Busse seien die neuen Grenzwerte „technologisch kaum realisierbar“, heißt es in einem Positionspapier. Zudem würden die in die Tests aufgenommenen Fahrmanöver „im Alltag extrem selten auftreten“. Dass Fahrzeuge durch die Abgasregeln teurer würden, sei schlecht für die Umwelt, so der VDA, weil es zu einem „zurückhaltenderen Kaufverhalten“ führe: „Ältere Fahrzeuge mit höheren Schadstoffemissionen bleiben so länger auf den Straßen.“
Der Verband versucht deshalb fieberhaft, die neuen Normen noch möglichst abzuschwächen. „Entscheidend ist nun, dass eine Weiterentwicklung der Abgasnorm auf Machbarkeit und Augenmaß setzt und dabei gleichzeitig einen hohen Wirkungsgrad erreicht“, so VDA-Präsidentin Hildegard Müller. „Dies ist in dem aktuellen Entwurf leider ausdrücklich nicht der Fall.“ Mit Material von dpa