Seit Jahresbeginn überraschen die positiven Konjunktursignale diesseits und jenseits des Atlantiks, nachdem die Investoren noch vor wenigen Monaten eine Gasmangellage in Deutschland vor Augen hatten. Zudem belasteten Sorgen vor den negativen Auswirkungen des globalen Leitzinserhöhungszyklus und die Fortsetzung der strengen Null-Covid-Politik in China mit damit andauernden Lieferkettenproblemen die Märkte. Doch seit einigen Wochen hat sich sowohl die Stimmung als auch die Lage bei Unternehmen und Verbrauchern wieder spürbar verbessert.
Ein bislang milder Winter und signifikante Einsparungen im Energieverbrauch haben zu einem deutlichen Einbruch der Gaspreise beigetragen, die Gasspeicher sind insbesondere im Vergleich zu früheren Jahren nunmehr komfortabel gefüllt, die Umstellung auf Flüssiggas-Terminals und andere alternative Energiequellen schreitet voran, die befürchtete Gasmangellage ist ausgeblieben. Mehr noch, eine Gas-Krise wird auch in zukünftigen Wintern immer unwahrscheinlicher. Zudem hat China vor dem Jahresende eine erstaunliche und für die Finanzmärkte überraschende Kehrtwende vollzogen. Mit der plötzlichen Aufgabe nahezu aller Corona-Beschränkungen hat die chinesische Regierung de facto ihre bisherige Null-Covid-Strategie an den Nagel gehängt und eine Durchseuchung ihrer Bevölkerung akzeptiert. Die Folgen waren unmittelbar an den Finanzmärkten zu sehen, der chinesische Aktienmarkt konnte zweistellig zulegen.
Ökonomen erwarten nun ein deutlich dynamischeres Wachstum in China im laufenden Jahr und im Jahr 2024. Die zweitgrößte Volkswirtschaft wird zwar vor dem Hintergrund der anhaltenden Krise des Immobilienmarktes und der hohen Verschuldung der Unternehmen nicht unmittelbar den Wachstumsturbo zünden, aber sie ist – und das ist für die Kapitalmärkte entscheidend – nun keine Wachstumsbremse mehr und ermöglicht eine Beschleunigung der Normalisierung der Lieferketten.
Die deutliche Entspannung bei den Energiepreisen und die Öffnung Chinas erklärt dann auch die gestiegene Stimmung bei den Unternehmen, welche sich in den jüngsten Anstiegen im Ifo-Geschäftsklima-Index und auf amerikanischer Seite im ISM-Index für den Dienstleistungssektor ablesen lässt. Darüber hinaus überrascht auch die laufende Berichtsaison in den USA und in Europa insgesamt auf der positiven Seite trotz einiger Enttäuschungen wie bei Intel oder den großen Technologie-Schwergewichten Meta, Alphabet, Amazon, Apple und Microsoft. Nachdem etwa die Hälfte der Unternehmen ihre Quartalsergebnisse berichtet haben, konnten 55 Prozent der Unternehmen in den USA und 60 Prozent der Unternehmen in Europa die Umsatzerwartungen übertreffen.
Bei den Gewinnen sah es noch besser aus, hier konnten 70 Prozent der US-Unternehmen und 64 Prozent der europäischen Unternehmen positiv überraschen. Somit darf es nicht verwundern, dass die Börsen einen fulminanten Jahresstart hingelegt haben und Anleger sich zweistelliger Gewinne erfreuen können. Die Rezessionssorgen haben sich quasi verflüchtigt trotz der Warnungen, die wir von monetären Indikatoren wie der inversen Zinsstruktur, schrumpfenden Zentralbankbilanzen und einem negativen Geldmengenwachstum bekommen.
Wir halten es jedoch noch für zu früh, ein Rezessionsszenario auszuschließen, und unsere Börsenampel steht somit noch nicht auf Grün. Denn eine milde Rezession – wenn auch erst später im Laufe des Jahres – halten wir vor dem Hintergrund des Zinsschocks von 500 Basispunkten jenseits und 375 Basispunkten diesseits des Atlantiks für wahrscheinlich.