Straßburg – Im Januar 1886 meldete Carl Benz das Patent seines dreirädrigen Motorwagens an – die Karriere des Autos mit Verbrennungsmotor begann. 149 Jahre später soll sie größtenteils enden. Ab 2035 dürfen in Europa neue Pkw und Transporter beim Fahren keine klimaschädlichen Gase mehr ausstoßen. Das beschloss das EU-Parlament in Straßburg.
Neue Autos, die im Verkehr Kohlendioxid verursachen, dürfen dann nicht mehr zugelassen und verkauft werden. Außerdem verschärft die Europäische Union die Kohlendioxid-Grenzwerte für 2030: Im Vergleich zu 2021 sollen sie bei Pkw um 55 Prozent und bei Kleintransportern um 50 Prozent sinken. So will die EU einen Beitrag leisten, um das Klimaschutz-Abkommen von Paris einzuhalten. Die Mitgliedstaaten, die EU-Kommission und das Europäische Parlament hatten sich im vergangenen Oktober auf diese Regelung geeinigt. Nach dem Votum des Parlaments fehlt nun noch ein weiterer Beschluss des Rates, der aber als Formsache betrachtet wird.
Aber: Bestimmte Unternehmen müssen sich bis Ende 2035 nicht an die sinkenden Werte halten. Das gilt beispielsweise für Hersteller teurer Sportwagen, die weniger als 10 000 Exemplare pro Jahr bauen. Die entsprechende Formulierung wird „Ferrari-Text“ genannt. Und der Beschluss umfasst ausdrücklich nur neue Fahrzeuge. Autos, die Ende 2034 schon im Verkehr rollen, sind nicht betroffen, sie dürfen weiterfahren. Wobei man davon ausgehen kann, dass schärfere Abgasnormen ihnen nach und nach den Garaus machen werden. Außerdem bauten unter anderem Finanzminister Christian Lindner und Verkehrsminister Volker Wissing (beide FDP) während der Verhandlungen eine Hintertür ein. Die EU-Kommission soll prüfen, ob nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden können, die ausschließlich synthetische Kraftstoffe tanken. Unter Umständen ermöglicht das den Fortbestand des Verbrenners. Synthetische Kraftstoffe werden beispielsweise mittels Ökostrom aus Wasserstoff und Kohlendioxid hergestellt. Der Prüfantrag an die Adresse der EU-Kommission ist jedoch unverbindlich – was dabei herauskommt, ist unklar.
340 Abgeordnete unter anderem der Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen stimmten am Dienstag dafür, ab 2035 keine neuen Autos mit fossilen Verbrennern mehr auf die Straßen zu lassen. 279 Parlamentarierinnen und Parlamentarier unter anderem der Europäischen Volkspartei, der auch die Union angehört, lehnten den Beschluss ab.
„Der Beschluss sichert den Weg zur Umstellung auf Autos ohne Verbrennungsmotor ab, auf den sich Automobilhersteller schon lange gemacht haben“, sagte der klimapolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Tiemo Wölken. „Europa meldet sich zurück im Rennen um die reichweitenstärksten Batterien und modernsten Autos“, erklärte der grüne Abgeordnete Michael Bloss. Für ihn stellt der Abschied vom Verbrennungsmotor einen „klaren Rahmen für die Autoindustrie“ dar, „um Kurs auf die Elektromobilität“ zu nehmen.
Es sei fahrlässig, Ziele für die Zeit nach 2030 festzulegen, ohne Anpassungen vornehmen zu können, warnte der Verband der Automobilindustrie. Er bemängelte zudem das Ausbautempo für Ladesäulen. Der Beschluss „gefährdet rund 1,4 Millionen Arbeitsplätze“ in der europäischen Autoindustrie, kritisierte der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke. Angelika Niebler von der CSU sagte, für den Industriestandort Europa sei das Verbot „ein Schlag ins Gesicht.“
Ebenfalls am Dienstag veröffentlichte die EU-Kommission ihre Pläne zur Verringerung des Kohlendioxid-Ausstoßes von Lkw und Bussen. Demnach sollen neue Stadtbusse ab 2030 keine klimaschädlichen Emissionen mehr verursachen. Für Laster werden Emissionsreduktionen von 45 Prozent bis 2030, 65 Prozent bis 2035 und 90 Prozent bis 2040 angepeilt. Ein festes Enddatum für den Verkauf fossiler Lkw gibt es damit in der EU jedoch vorläufig nicht. „Das ist eine gute Nachricht“, kommentierte Ulrich Lange, Unionsfraktionsvize im Bundestag. Allerdings bezweifelte er, dass die Hersteller solche strengen Grenzwerte überhaupt einhalten könnten.