„Das ist kein fairer Wettbewerb“

von Redaktion

INTERVIEW Weshalb viele Stadtwerke straucheln – und fallende Preise Probleme machen

Stadtwerke sind das finanzielle Rückgrat vieler Kommunen. In den vergangenen Monaten sind viele in Bedrängnis gekommen. Im Interview erklärt Detlef Fischer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft, ob die Gemeinden heuer knapper bestückt werden – und weshalb die Grundversorgung gerade zum Problem wird.

Herr Fischer, die Speicher sind voll, der Winter beinahe überstanden. Wie groß ist die Erleichterung bei den Stadtwerken?

Zunächst ist es sehr erfreulich, dass die Preise für Strom und Erdgas an den Beschaffungsmärkten seit einigen Wochen deutlich gesunken sind und sich die Versorgungslage langsam wieder entspannt. Da im Markt aber immer noch erhebliche Risiken vorhanden sind, werden zur Absicherung von Termingeschäften für die lokalen Versorger derzeit außergewöhnlich hohe Sicherheitsleistungen als Bürgschaften verlangt oder auch direkt in Euro fällig. Dieses Problem hat sich in den vergangenen Wochen deutlich verschärft.

Was bedeutet das?

Auf das Energieangebot an sich hat das zunächst keine Auswirkungen. Es kann aber dazu führen, dass ein Versorger sich nicht mit der Menge an Strom oder Gas für in der Zukunft liegende Lieferungen eindecken kann, die er für die Versorgung aller seiner Bestandskunden oder für die Neukundenakquise benötigt. Für den Verbraucher spielt das so lange keine Rolle, wie es andere Versorger gibt, die genügend Energie in ihrem Portfolio haben. Für den von hohen Sicherheitsleistungen betroffenen Versorger ist das aber sehr unerfreulich, denn er kann seinen Kunden keine Angebote mit längerfristig gültigen Konditionen unterbreiten und verliert damit Kunden.

Grundsätzlich ein normaler Vorgang im Markt. Was heißt das für Verbraucher?

Kleine Versorger könnten aufgeben, weil sie nicht die Finanzmacht wie die großen Energiekonzerne haben. Der Staat rettet auch lieber große Unternehmen als kleine, denn diese sind jedes für sich genommen nicht systemrelevant. Wenn eine solche Marktbereinigung dazu führt, dass der Energiemarkt wieder über ein Oligopol bestimmt wird, ist dem Verbraucher damit am wenigsten geholfen.

Wie können die kleinen Versorger geschützt werden?

Wir befinden uns dazu seit Monaten in Gesprächen mit dem Bayerischen Wirtschaftsministerium, unser Bundesverband BDEW führt dazu Gespräche mit der Bundesregierung. Wünschenswert wäre eine Art staatliches Bürgschaftsprogramm, auf das alle betroffenen Versorger unabhängig von ihrer Größe oder Organisationsform zugreifen können. Man sollte jetzt mal endlich zu Potte kommen.

Thema Liquiditätsmangel: Wie laufen die Vorbereitungen für die Energiepreisbremsen, die im März greifen sollen?

Unsere Mitgliedsunternehmen übernehmen mit der Umsetzung der Energiepreisbremsen für Strom und Gas eine staatliche Aufgabe. Ob alles von jedem Versorger zum 1. März fehlerfrei und termingerecht umgesetzt werden kann, kann ich heute noch nicht abschließend sagen. Aber eines kann ich garantieren. Jeder Kunde erhält seine Entlastung in Euro, so wie es das Gesetz vorsieht.

Die Grundversorger waren in der Krise für viele Verbraucher der rettende Anker. Jetzt punkten die Discountanbieter wieder mit günstigen Tarifen. Was bedeutet das für die Stadtwerke?

Derzeit ist es so, dass Kunden relativ problemlos und schnell von einem Billiganbieter wieder in die Grundversorgung fallen, wenn es Probleme mit dem Billigtarif gibt. Das kann nicht so bleiben. Wir fordern eine längere Verweildauer in der Ersatzversorgung, die regelmäßig teurer ist als die Grundversorgung. Rosinenpicken zulasten der Grundversorger ist aus Sicht der Kunden zwar verständlich, untergräbt aber das Solidarprinzip der Grundversorgung. Hier ist der Gesetzgeber gefragt.

Ist das ein Wettbewerbsnachteil für die Grundversorger?

Energieanbieter, die keine Verantwortung innerhalb der Daseinsvorsorge wahrnehmen, können sich kurzfristig mit Energie eindecken. Ist diese günstig, gewinnen diese Kunden hinzu, ist die Energie teurer, schieben sie die Kunden über ihre Preispolitik oder durch Insolvenz wieder in die Grundversorgung des örtlichen Anbieters ab. Dieses Spiel wiederholt sich nun schon seit Jahren. So stellt man sich einen fairen Wettbewerb um die Kunden nicht vor, der Gesetzgeber schaut zu und die Bundesnetzagentur unterstützt dieses Treiben mit Pressemitteilungen zum Recht der Kunden auf Grundversorgung. Wer darüber noch lachen kann, beweist echten Humor.

Heißt, dass die Stadtwerke – und damit die Kommunen – heuer ein Problem bekommen?

Wir erwarten für das Jahr 2022 stark unterschiedliche Ergebnisse bei unseren Mitgliedsunternehmen. Wie in jeder Krise gibt es Gewinner und Verlierer, das wird auch dieses Mal so sein. Energieversorger, die beispielsweise auf eine kostengünstige Stromproduktion aus eigenen Anlagen zurückgreifen können, werden sehr ordentliche Jahresabschlüsse ausweisen. Energieversorger, die viel Energie sehr teuer an den Beschaffungsmärkten im letzten Jahr zukaufen mussten, werden nicht so gut dastehen. In einigen Wochen sind wir schlauer. Das Geschäftsjahr 2023 wird für alle Versorger noch härter als das vergangene Jahr.

Interview: Matthias Schneider

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