München – Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, sieht Möglichkeiten, den Arbeitskräftemangel in Deutschland zu beheben. „Wir sind dem nicht hilflos ausgesetzt“, sagte Nahles am Montagabend auf einer Veranstaltung des ifo-Instituts in München. Das „am schnellsten zu rekrutierende Personal“ sei eine höhere Erwerbsbeteiligung durch Frauen.
Nahles wies darauf hin, dass Deutschland bei der Erwerbstätigenquote von Frauen inzwischen auf Platz fünf in Europa sei, bei der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden allerdings auf Platz 15 rangiere. Grund dafür sei, dass sich nach wie vor hauptsächlich Frauen um die Kinderbetreuung kümmerten. Nahles nannte etwa eine bessere Kita-Betreuung zu Randzeiten einen Hebel, damit Frauen länger arbeiten könnten.
Ebenso sieht Nahles in Jugendlichen ein großes Potenzial. Sie sagte, Deutschland verliere jedes Jahr 46 000 junge Menschen, die ohne abgeschlossene Ausbildung ins Arbeitsleben gingen. „Wichtigster Berufsberater der Jugendlichen sind die Eltern“, sagte Nahles und warb für Informationsangebote für Eltern. Auch Schulpraktika, die während der Corona-Pandemie nicht stattgefunden hätten, seien wichtig. „Wir müssen diese Delle aus der Pandemie wieder ausgleichen“, sagte sie. Das Jahr 2023 müsse ein „Praktikumsjahr“ werden
Lobend erwähnte Nahles ein Modell aus Baden-Württemberg, hier müssten Schüler an fünf Tagen in fünf unterschiedlichen Berufen ein Praktikum machen, eine Art „Speed-Dating“, wie Nahles betonte. Auch nannte Nahles die Berufsorientierung im Unterricht an bayerischen Schulen ein positives Beispiel. Allerdings sollten teilnehmende Lehrer für die aufgewendete Zeit freigestellt werden, forderte sie.
Nahles nannte neben einer höheren Erwerbsbeteiligung von älteren Menschen außerdem die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland einen wichtigen Hebel, um dem Mangel an Fachkräften in Deutschland zu begegnen.
Der Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern, Manfred Gößl, warnte alllerdings vor einer Nettozuwanderung, da Wohnraum knapp sei. Stattdessen forderte Gößl, geduldete Asylbewerber, die ohnehin schon in Deutschland seien, das Arbeiten zu erlauben. Nahles stimmte dem grundsätzlich zu, sah darin aber eine „rein politische Aufgabe“.
Nahles ist seit August Chefin der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, als Leiterin einer Bundesbehörde übt sie kein politisches Amt aus. Von 2013 bis 2017 war Nahles Bundesarbeitsministerin. In den Jahren 2018 und 2019 hatte sie den SPD-Vorsitz inne. SEBASTIAN HÖLZLE