München – Die 197 bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken halten dank eines stärkeren Kerngeschäfts in der Zinswende weitgehend Kurs. Allein durch das Geschäft mit Einlagen und Krediten verdienten die Genossen 273 Millionen Euro mehr als noch 2021. Der Grund ist laut Gregor Scheller, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern: „Viele Häuslebauer wollten sich Anfang 2022 noch einen günstigen Kredit sichern.“ Denn im Laufe des Jahres hat die Europäische Zentralbank den Leitzins deutlich erhöht, er liegt nun bei drei Prozent.
Durch die Torschlusspanik erhöhte sich das Kreditvolumen der Genossen um 7,8 Prozent, bei Verbundpartnern wie der Bausparkasse Schwäbisch Hall waren es sogar 10,7 Prozent. „An die bayerischen Unternehmen haben wir so viele Kredite ausgegeben wie noch nie“, erklärt Scheller.
Auch die Einlagen wuchsen leicht um 4,2 Prozent, besonders Firmenkunden parkten mit 6,6 Prozent plus wieder mehr Geld bei der Bank. Scheller führt das auf attraktivere Angebote für Termineinlagen zurück. Insgesamt verdienten die Genossen an den Zinsüberschüssen 3,145 Milliarden Euro, 273 Millionen mehr als im Vorjahr.
Dennoch sind die Genossen gerade bei Tagesgeldzinsen noch zurückhaltender als andere Banken. Danach gefragt sagte Scheller: „Selbst wenn wir von zwei Prozent Zins sprächen, blieben bei der aktuellen Inflation noch knapp sechs Prozent Kaufkraftverlust.“ Anleger seien darum in der Vergangenheit gut beraten gewesen, auch auf ertragsstärkere Anlagen wie Aktien zu setzen.
Beim Vermittlungsgeschäft für ebensolche Anlagen, aber auch Bausparverträge, legten die VR-Banken leicht zu. 2022 verdienten sie damit 1,357 Milliarden Euro, 28 Millionen mehr als im Vorjahr. Ein Teil des Geldes wurde in eine leicht erhöhte Eigenkapitalquote von insgesamt 15,85 Prozent investiert. Einen gewaltigen Malus lieferte aber das Wertpapiergeschäft: Durch – vor allem zinsbedingt – gefallene Kurse, mussten die VR-Banken zum Stichtag 31. Dezember 2022 stolze 1,644 Milliarden abschreiben. Scheller betonte jedoch, dass der Verlust nur auf dem Papier stehe: „Wir mussten die Wertpapierbewertung zu einem bestimmten Zeitpunkt festschreiben, das ist nur eine Momentaufnahme.“ Zudem handele es sich zum Großteil nicht um Aktien, sondern um Anleihen: „Wir halten die meisten Titel über die gesamte Laufzeit. Am Ende bekommen wir sie also zum Nennwert plus Zinsen zurück.“ Diese kämen dann bei Fälligkeit als Sondererträge in die Bilanz zurück.
Vorerst aber schmälert die schlechte Bewertung trotz operativer Zuwächse von 246 Millionen die Bilanz: Der Jahresüberschuss fiel mit 391 Millionen Euro um 19 Millionen geringer aus als im Vorjahr. Scheller erwartet in den kommenden Jahren jedoch ein weiter wachsendes Kredit- und Einlagengeschäft – wenn auch langsamer. Zudem gebe es eine große Kostendisziplin, etwa durch die zunehmende Digitalisierung. Aber auch Sparmaßnahmen setzten die VR-Banken um: So unterhielten die Genossen vergangenes Jahr 99 Geschäftsstellen und 173 Geldautomaten weniger als noch 2021. Auf Nachfrage sagte der Genossenschaftsverband: „Die Bedeutung der Beratung wächst, gleichzeitig nutzen durch die Digitalisierung immer weniger Kunden die Service-Filialen. Letztere werden deshalb eher wenig Zukunft haben – unsere Mitgliedsbanken folgen da dem Kundenverhalten.“
MATTHIAS SCHNEIDER