München – Der eine kann nicht ohne den anderen: Städte und Gemeinden wollen ein lückenloses Handynetz sowie schnelles Internet – dabei sind sie auf die Hilfe der großen Anbieter angewiesen. Unternehmen wie die Telekom sind gleichzeitig auf die Kommunen angewiesen, wenn sie Kabel unter der Straße verlegen wollen oder Handymasten aufstellen. Ohne Netz erreicht die Telekom keine Kunden, ohne Kunden verdient sie kein Geld. Srini Gopalan ist Deutschland-Chef der Telekom, Clemens Baumgärtner ist Wirtschaftsreferent der Stadt München – ein Manager aus Großbritannien und ein CSU-Politiker aus Bayern. Im Interview erklären beide, wie das läuft.
2021 hat die Telekom angekündigt, bis 2027 eine halbe Milliarde Euro in München zu investieren. Was genau ist Ihr Plan?
Gopalan: Zum einen geht es um direkte Glasfaseranschlüsse bis ans Haus, kurz FTTH. Wir wollen bis 2025 rund 300 000 Haushalte in München gigabitfähig ans Glasfasernetz anschließen.
Wie kommen Sie voran?
Gopalan: Gut. 55 000 Haushalte sind in München am Netz, dieses Jahr kommen 70 000 hinzu. In den darauffolgenden beiden Jahren werden es jeweils 85 000 sein.
Und das Handynetz?
Gopalan: Hier bauen wir das 5G-Netz kräftig aus – und haben glücklicherweise viel Unterstützung von Herrn Baumgärtner erhalten, als es zu Schwierigkeiten bei der Suche nach Standorten für Mobilfunkmasten kam.
Wie haben Sie das Problem gelöst?
Baumgärtner: Unsere Vorstellung war, auf städtischen Gebäuden oder städtischer Infrastruktur Mobilfunkmasten zu bauen. Etwa Bürogebäude oder die Dächer von Entsorgungsbetrieben und Stadtwerken. Aber auch Lichtmasten kamen infrage. Damit beschleunigen wir zum einen den Ausbau des 5G-Netzes, zum anderen erzielt die Stadt Mieteinnahmen.
Wie viel zahlt Ihnen die Telekom für einen Mobilfunkmast?
Baumgärtner: Wir reden da in den meisten Fällen über einen vierstelligen Euro-Betrag im Jahr – je Standort. Die Telekom ist damit ein wichtiger Partner der Stadt München. Wir brauchen uns gegenseitig.
Ist eine Großstadt gegenüber ländlichen Gemeinden im Vorteil?
Baumgärtner: Nein, das geht auf dem Land genauso. Die Landkreise verfügen über Trafohäuschen, Bauhöfe und eine Vielzahl anderer Gebäude. Ich glaube, da könnte man im Wege von Kooperationen schnell viel mehr erreichen.
Als Wirtschaftsreferent einer Metropole mit 1,5 Millionen Einwohnern dürfte es Ihnen dennoch leichter fallen, einen Termin bei Herrn Gopalan zu bekommen als ein Landrat.
Baumgärtner: So habe ich Herrn Gopalan nicht kennengelernt. Ich glaube, wenn der Landrat von Miesbach einen Termin bei ihm will, wird er diesen bekommen. Gopalan: Absolut! Genau das wollen wir auch. Wir starten als Telekom gerade eine Kampagne, weil wir händeringend Dächer und Grundstücke für neue Masten suchen. Die Bürger sind aufgerufen, uns Standorte auf Dächern oder auf dem Land zu melden. Wir wollen unser Netz ständig verbessern, können aber nicht immer, wie wir wollen.
Das heißt, der Landwirt kann sein Stadl an die Telekom vermieten?
Gopalan: Genau das ist unser Plan. Einerlei ob es uns gelingt, auf diesem Weg 100, 200 oder 300 geeignete Standorte für Masten zu finden: Wir sind bereit, sofort mit dem Bau zu beginnen. Es kann nicht sein, dass alle eine 5G-Abdeckung wollen – und dann soll der Mast aber nicht in der Nachbarschaft stehen.
Beobachten Sie, dass Deutschland besonders Technologie-skeptisch ist?
Gopalan: Ich glaube, es gibt in Deutschland eine laute Minderheit, die sehr skeptisch ist. Wenn ich mit durchschnittlichen Deutschen spreche, beobachte ich das nicht.
Baumgärtner: Als wir im Stadtrat 2020 über den 5G-Ausbau diskutiert haben, rief das sofort die Mobilfunkgegner auf den Plan mit dem Argument: 5G sei schädlicher als 4G. Die Logik war: Die Zahl 5 ist größer als 4. Also muss die Strahlenintensität bei 5G größer sein. Das Gegenteil ist der Fall: In Wahrheit strahlt 5G weniger stark als 4G.
Wie haben Sie die Skeptiker davon überzeugt?
Baumgärtner: Wir haben Veranstaltungen mit Technikern der Telekom angeboten. Wenn die Diskussion sachlich geführt wird, bricht das oft den Widerstand – und das ist uns gelungen. Jetzt können wir in München auch 5G-Masten auf Krankenhäuser montieren. Denn auch im Krankenhaus werden die Handys der Patienten nicht vom heiligen Geist versorgt.
Trotzdem gibt es selbst im bestehenden LTE-Netz Lücken: Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hat nachmessen lassen: An Bundesstraßen und Bahnstrecken liegt die Abdeckung im Telekom-Netz bei 90 Prozent. Aiwanger wirft Telekom, Telefónica und Vodafone vor, ihre Auflagen nicht zu erfüllen. Was ist schiefgelaufen?
Gopalan: Herr Aiwanger kritisiert in erster Linie die Auflagen selbst: Er fragt, was Fahrgästen im Zug ein gutes Netz bringe, wenn die Scheiben die Strahlung nicht durchlassen. Und damit hat er Recht. Die zweite Frage ist: Haben wir an Bahnstrecken und Bundesstraßen die Vorgaben erfüllt? Und entgegen der Aussage von Herrn Aiwanger hat die Telekom die Auflagen erfüllt.
Genau genommen haben Sie der Bundesnetzagentur mitgeteilt, dass Sie alle Auflagen erfüllt haben. Jetzt prüft die Behörde, ob das stimmt.
Gopalan: Wir versorgen in jedem einzelnen Bundesland mindestens 99 Prozent der Bevölkerung mit LTE. Damit übertreffen wir die Vorgaben der Bundesnetzagentur, die eine Abdeckung von 98 Prozent der Bevölkerung mit LTE bis Ende 2022 vorsieht. Natürlich gibt es noch weiße Flecken im Netz. Aber die gibt es nur deshalb, weil wir keine Standorte für Mobilfunkmasten finden – und das können wir gegenüber der Bundesnetzagentur auch begründen. Wir investieren in Deutschland jedes Jahr mehr als fünf Milliarden Euro, vor allem in den Netzausbau. Durch die Funkturm-Gesellschaft, an der wir beteiligt sind, kommen jährlich rund 1200 bis 1300 neue Sendestandorte im Mobilfunk hinzu. Wenn wir jetzt über 128 fehlende Standorte sprechen, scheitert das nicht an der Investitionsbereitschaft. Wir haben langfristige Vereinbarungen mit der Funkturm-Gesellschaft über den weiteren Netzausbau getroffen, da ist die Beseitigung weißer Flecken mit berücksichtigt. Das kann sehr schnell gehen, wenn jemand die Grundstücke für die Masten bereitstellt.
Wie sieht es beim schnellen Internet aus? Beim FTTH-Ausbau hinkt Deutschland seit Jahren hinterher. Statt Häuser direkt mit Glasfaser zu versorgen, hat die Telekom lange auf Vectoring gesetzt – Glasfaser bis zum Verteilerkasten, Kupferkabel bis zum Haus.
Gopalan: Das Ziel war immer FTTH. Die Frage war nur, wie bauen wir das. Wir hatten vor Jahren die Wahl: Glasfaser ins Haus für zehn Prozent der Haushalte oder Glasfaser in die Straße für 90 Prozent der Haushalte. Wir sind froh, uns für Vectoring entschieden zu haben: In der Corona-Krise, als viele im Homeoffice waren, wäre Deutschland ohne das aufgeschmissen gewesen. Unser Netz war auch in Corona stabil und schnell. Und über die Jahre haben wir die Glasfaser immer näher an die Gebäude gebracht, davon profitieren wir heute. Vectoring-Ausbau ist Glasfaserausbau.
Wie sehr bremsen Genehmigungsverfahren den Ausbau des Glasfasernetzes?
Gopalan: „Genehmigungsverfahren“ ist eines meiner Lieblingswörter auf Deutsch. Um eine Glasfaserleitung unter die Straße zu bringen, benötigen wir zwischen drei und sechs verschiedene Genehmigungen, das ist ein Problem. Im schlimmsten Fall waren es mal 21. Die gesamte Branche wünscht sich hier einfachere Verfahren und digitale Prozesse. Mir bringt es aber nichts, über Probleme zu reden. Ich bin an Lösungen interessiert. Und als Brite fällt mir auf, dass die Deutschen gerne über Schwachpunkte statt über Lösungen sprechen. Und eine Lösung sind Kooperationen, wie wir sie mit München haben.
Frage an den Politiker: Warum dauern die Genehmigungen so lange?
Baumgärtner: Die Gesetzeslage ist meist Bundesgesetz. Daran sind wir als Kommune gebunden. Wir als Wirtschaftsreferat erteilen auch nicht die Genehmigungen. Wenn es bei der Telekom im Genehmigungsprozess zu Verzögerungen kommt, versuchen wir die zu identifizieren und zu lösen – je nachdem wer zuständig ist: Baureferat, Kreisverwaltungsreferat oder eine andere Behörde.
Wie kommt die Telekom mit dem Glasfaserausbau in Deutschland voran?
Gopalan: 2020 haben wir rund 600 000 Haushalte mit Glasfaser versorgt. 2021 waren es bereits 1,2 Millionen und vergangenes Jahr 2,1 Millionen. Dieses Jahr kommen 2,5 bis drei Millionen dazu. Unser Ziel ist klar: Bis 2030 wollen wir 25 bis 30 Millionen Haushalte mit Glasfaser versorgen.
In München kooperiert die Telekom zusätzlich mit dem Anbieter M-net der Stadtwerke München.
Gopalan: Wir haben mit M-net eine Vereinbarung getroffen, dass die Telekom über das Glasfasernetz von M-net eigene Internet- und Telefonanschlüsse vermarkten darf. Davon profitieren Telekom, Mnet und die Kunden. Und wir müssen die Straße nicht zweimal aufmachen.
Einfacher wäre es, grundsätzlich zu verbieten, dass jeder Anbieter sein eigenes Kabel im Boden vergräbt.
Baumgärtner: Das Thema Überbau von Leitungen ist ein in Deutschland lieb diskutiertes aber meiner Meinung nach völlig überbewertetes Thema. In Deutschland gilt Unternehmensfreiheit. Jeder kann bauen. Ob sich das wirtschaftlich lohnt, muss der Unternehmer entscheiden.
Als Wirtschaftsreferent der Stadt München haben Sie es sich zur Aufgabe gemacht, Technologieunternehmen nach München zu locken – bekannte Beispiele sind Google, Apple oder Microsoft. Wie wichtig ist in den Gesprächen mit diesen Firmen die Frage nach der Netzinfrastruktur?
Baumgärtner: Die ist so zentral wie die Frage nach öffentlichem Nahverkehr oder die Straße vor der Haustür. Wir wollen eine Stadt sein, die Heimat ist für die Arbeitgeber der Zukunft. Das schaffen wir nur, wenn wir die Netzinfrastruktur für die Unternehmen bereitstellen. Ohne die hätten sich Unternehmen wie Google oder Apple nicht dazu entschlossen, sich in München niederzulassen.
Das 5G-Netz wird ausgebaut, 6G befindet sich in der Entwicklung. Wie sieht das Netz in Zukunft aus?
Gopalan: In Zukunft sprechen wir nur noch über Abdeckung – ob 5G oder 6G spielt keine Rolle. Das Mobilfunknetz, das Glasfasernetz, alles verschwimmt miteinander.
Was heißt das konkret für Handy-Nutzer?
Gopalan: Heute ist man zu Hause im WLAN-Netz unterwegs, draußen surft man im Mobilfunknetz. In Zukunft bin ich einfach im Netz – egal ob WLAN, Mobilfunk, 5G oder 6G. Software wird immer wichtiger. Das Handy sieht, welches Netz gerade die beste Surf-Geschwindigkeit bietet und wählt sich automatisch ein. Uns geht es um das Kundenerlebnis – mit welcher Technologie das erreicht wird, spielt keine Rolle.
Interview: Sebastian Hölzle