„Bei langer Laufzeit gibt es hohe Zinsen“

von Redaktion

INTERVIEW Stadtsparkassen-Chef Ralf Fleischer über bessere Konditionen für Sparer

Mit einer Bilanzsumme von fast 24 Milliarden Euro ist die Stadtsparkasse München die größte Sparkasse in Bayern und die viertgrößte in Deutschland. Gestern hat das Institut seine Bilanzkennzahlen für das Geschäftsjahr 2022 vorgelegt – und deutlich besser abgeschnitten als im Vorjahr (siehe Kasten). Wir sprachen mit dem Chef der Stadtsparkasse, Ralf Fleischer, über die Folgen der gestiegenen Zinsen sowie die aktuelle Nervosität an den Finanzmärkten.

Die Schweizer Großbank UBS hat im Eiltempo die in Schieflage geratene Credit Suisse übernommen, Erinnerungen an die Finanzkrise 2007/2008 werden wach. Beobachten Sie, dass verunsicherte Kunden jetzt vermehrt Bargeld abheben?

Nein. Es gibt keinen Grund zur Sorge. Wir denken, dass man am Sonntag in der Schweiz eine sinnvolle und kluge Lösung gefunden hat. Deutsche Finanzinstitute sind laufend in einem engen Austausch mit der Finanzaufsicht, insofern sind wir hier gut aufgestellt.

Große Änderungen gab es im vergangenen Jahr beim Thema Zinsen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzins in sechs Schritten in Rekordzeit von null Prozent auf 3,5 Prozent erhöht. Wie haben Ihre Kunden darauf reagiert?

In der Zeit der Niedrigzinsen lag das Geld der Kunden unverzinst auf den Girokonten, das waren immerhin 70 Prozent unserer Einlagen. Mit dem wiederkehrenden Zins sehen wir, dass Kunden wieder verstärkt in Anlageprodukte gehen, zum Beispiel Sparkassenbriefe mit ein- bis fünfjähriger Laufzeit. Aber: Für dieses Jahr wird mit einer Inflationsrate von durchschnittlich sechs Prozent gerechnet. Wer die Inflation ausgleichen möchte, muss sein Geld auch in renditestärkere Anlageklassen stecken.

Zum Beispiel?

Dazu zählen Wertpapiere. Das Geld auf dem Girokonto oder in einem Sparprodukt zu halten, wird die Lücke zwischen Zins und Inflation nicht schließen.

Die Stadtsparkasse zahlt 0,5 Prozent aufs Tagesgeld, bei einer Inflation von sechs Prozent ergibt sich einfach gerechnet ein realer Verlust von minus 5,5 Prozent. Anders gesagt: Real gesehen waren die Negativzinsen noch nie so hoch wie jetzt.

Das ist richtig – aber der Vergleich stimmt nicht.

Warum?

Es gibt nicht nur Tagesgeld. Es gibt auch Sparprodukte mit ein bis fünf Jahren Laufzeit und rund 2,25 Prozent Zinsen im Jahr. Die öffentliche Diskussion wird derzeit sehr aufs Tagesgeld verkürzt. Es war schon immer so, dass die Zinsschritte der EZB nicht allein für den Marktzins ausschlaggebend waren. Zinssätze variieren je nach Produktart, je nach Risiko, je nach Verfügbarkeit und je nach Laufzeit. Insoweit bin ich immer wieder aufs Neue überrascht, wie die Debatte verkürzt wird.

Trotzdem verdient die Stadtsparkasse jetzt wieder mehr Geld mit Zinsen: Ihr Zinsüberschuss ist vergangenes Jahr um 13,5 Prozent auf 288 Millionen Euro gestiegen.

Das ist unser Geschäftsmodell. Eines wird gerne vergessen: Wir haben in der Zeit der Niedrigzinsen den Großteil unserer Kundinnen und Kunden mit Negativzinsen verschont. Deshalb haben wir mit unseren Einlagen in den vergangenen sieben bis acht Jahren keinerlei Ertrag erwirtschaftet. Nur sehr wenige Kunden mit hohen Vermögenswerten haben ein Verwahrentgelt gezahlt. Jetzt erzielen wir wieder einen normalen banküblichen Ertrag. Der Finanzbranche wirft man das vor, obwohl niemand auf die Idee kommen würde, der Industrie vorzuschreiben, sie möge doch bitte auf die Marge verzichten.

Wer jetzt ein Haus bauen oder eine Wohnung kaufen will, muss auf der anderen Seite mit kräftig gestiegenen Zinsen rechnen.

Ein Satz vorweg: Die Zeit der Niedrigzinsen war mit ein Grund dafür, dass es zu einer sprunghaft höheren Nachfrage nach Baukrediten gekommen ist – eine Folge waren höhere Immobilienpreise.

Und jetzt?

Jetzt hat sich das spürbar verändert. Der Grund dafür sind nicht nur gestiegene Zinsen, sondern auch höhere Baukosten und die hohe Inflation. Alles zusammen hat dazu geführt, dass die Kunden bei Baufinanzierungen vorsichtiger geworden sind.

Schlägt sich das in Zahlen nieder?

Im ersten Halbjahr 2022 war die Nachfrage nach Baufinanzierungen noch sehr hoch. Im zweiten Halbjahr gab es einen deutlichen Rückgang. Aufs Gesamtjahr gerechnet hatten wir 20 Prozent weniger Baufinanzierungen von Privatkunden als ein Jahr zuvor. In den ersten zwei Monaten dieses Jahres hat sich der Trend fortgesetzt.

Womit rechnen Sie aufs Gesamtjahr?

Im Moment stabilisiert sich die Situation etwas. Wir hoffen, dass das zweite Halbjahr eine Umkehr bringen wird, aber vorhersagen kann man das nicht.

Die Idee eines Bausparvertrages ist es, heutige Zinskonditionen für die Zukunft zu sichern. Sehen Sie eine Renaissance des alten Klassikers?

Definitiv. 2022 haben wir rund 60 Prozent mehr Bausparverträge abgeschlossen als ein Jahr zuvor. Bei den Abschlusssummen sind wir von gut 200 Millionen Euro auf rund 350 Millionen Euro hochgegangen. Der Bausparvertrag ist ein Instrument, das jetzt wieder interessant wird, weil man sich zum Beispiel zum Laufzeitende der Zinsfestschreibung niedrige Zinsen sichern kann.

Jeder zweite Münchner hat sein Konto bei der Stadtsparkasse – trotzdem hat Ihr Institut in den vergangenen Jahren etliche Filialen geschlossen. Wie weit müssen Ihre Kunden inzwischen gehen, um eine Filiale zu finden?

90 Prozent der Münchner Bürger erreichen eine unserer Filialen innerhalb von fünf Minuten. Zu unseren 133 Standorten zählen ja nicht nur die personenbesetzten Filialen, sondern auch die SB-Filialen ohne Personal mit Geldautomaten.

Planen Sie, weitere Filialen zu schließen?

Nein. Wir planen bei den personenbesetzten Filialen und bei den SB-Filialen keine weiteren Filialschließungen. Wir haben ein Niveau, mit dem wir gut aufgestellt sind und uns sehr wohl fühlen. Solange sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht dramatisch ändern, gibt es keinen Grund, im Filialnetz etwas zu ändern.

Es gibt Berichte von Kunden anderer Sparkassen, denen mit Kündigung des Kontos gedroht wird, sofern sie die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht akzeptieren. Werden Sie in Zukunft ähnliche Briefe verschicken?

Nein. Es gibt bei uns keine Kündigungen wegen fehlender Zustimmung der AGB. Wir planen das auch nicht. Aber klar ist: Wir müssen mit allen unserer Kundinnen und Kunden eine verbindliche und einheitliche Vertragsgrundlage haben. Deshalb sprechen wir sie darauf an.

Sie selbst haben Ihren Vertrag bei der Stadtsparkasse bis 2028 verlängert. Glauben Sie, dass Sie in Ihrer Amtszeit noch die Fusion mit der Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg erleben werden?

(lacht) Für uns ist das momentan kein Thema.

Interview: Sebastian Hölzle

Artikel 2 von 11