München – Glaubt man Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), kann man die Absurditäten der Energiewende gerade besonders gut im bayerischen Wunsiedel studieren. Mit viel Tamtam wurde dort im Herbst eine Produktionsanlage für grünen Wasserstoff eingeweiht, doch die steht schon wieder still: Durch die Gewinnabschöpfung im Rahmen der Strompreisbremse ist sie nun unrentabel. Das wiederum macht auch eine im Bau befindliche Wasserstoff-Tankstelle für Lkw einer benachbarten Firma obsolet, die aus Wunsiedel gespeist werden sollte. Glück im Unglück, könnte man fast sagen: Denn die Förderbescheide des Verkehrsministeriums für die dazugehörigen Wasserstoff-Lkw stehen laut Aiwanger ohnehin noch aus: „Die liegen beim Wissing und schlummern vor sich hin.“
Die Energiewende: Sie wird vor Ort ständig durch Bürokratie und Details ausgebremst. „Dutzende Probleme sind hier ineinander verflochten und führen dazu, dass wir nicht so schnell vorankommen wie gewünscht“, erklärt Aiwanger. Hunderte Windräder oder Solaranlagen seien deshalb nicht oder verzögert gebaut worden, so der Minister am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Dort stellte er auch eine Liste der Probleme vor, die aus seiner Sicht durch Gesetzesänderungen gelöst werden könnten. Es sei „eine lebende Liste“, so Aiwanger. Sei ein Problem beseitigt, warte das nächste. Deshalb forderte er Bürger auf, ihm Hürden bei der Energiewende zu melden.
Aiwanger ist sicher: Verantwortlich für viele Fallstricke ist der Bund. Deshalb hat er die Liste auch an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) adressiert. Auf ihr finden sich 34 Stolpersteine. Nicht nur aus der Wasserstoffwirtschaft, wo der Minister fordert, für Elektrolyseure sofort Ausnahmen von der Strompreisbremse zu machen und es zu ermöglichen, die Erdgasnetze auch für Wasserstoff zu nutzen. Auch aus Bereichen wie Windkraft, Solar oder Netzausbau hat Bayerns Wirtschaftsminister akribisch Klagen gesammelt.
Beispiel Solaranlagen für den Balkon: Die werden oft mit haushaltsüblichen Schuko-Steckern verkauft. Wer sie so betreibt, befinde sich rechtlich derzeit aber noch in einer Grauzone. Selbst installieren und anmelden könne man die Anlagen außerdem nur dann, wenn sie 600 Watt Leistung haben. Bei 800 Watt müsse der Fachmann ran, das wird dann teuer und langwierig. Deshalb müsse man die Grenze anheben, fordert Aiwanger – was der Bund vorhat, wohl aber erst Ende 2023 umsetzt. Das gehe auch schneller, ebenso wie das Freischalten einer Solaranlage durch den Netzbetreiber. Das „Nadelöhr der Energiewende“ nennt Aiwanger dieses Problem. Hier müsse eine klare Zeitvorgabe vom Bund her, der die Netzbetreiber zur Eile zwingt. Und wer seinen Nachbarn überschüssigen Grünstrom abgebe, dürfe nicht gleich wie ein Energieversorger behandelt werden.
Auch die Klagen der Bauern hat der gelernte Landwirt auf dem Schirm. So moniert er, dass Photovoltaik-Anlagen auf Weideland einfach zu viele Gutachten benötigten. Für schwimmende Anlagen auf Weihern und Seen fordert er andere Flächenbegrenzungen, damit sie sich lohnen: Statt 40 Meter Uferabstand nur 15 Meter und statt maximal 15 Prozent der Fläche 50 Prozent. Besonders ärgerlich findet Aiwanger, dass die Auflagen zur Lagerung von Gärresten nicht einmal bei Kläranlagen so streng sind wie bei Biogasanlagen. „Kaum ist die Gülle durch die Anlage durch, wird sie Sondermüll“, schimpft er und redet sich in Rage. „Völlig verrückt“ sei auch, dass für Biogas strengere Sicherheitsvorgaben gelten würden als für Erdgas, was enorme Bau- und Prüfkosten zur Folge hätte. Und indem man Biomethananlagen nur 36 Tage im Jahr laufen lassen dürfe, verschenke man schlicht Energie.
Doch Aiwanger wäre nicht Aiwanger, wenn er nicht bauernschlau noch eine Milliardenforderung in seine Liste gemogelt hätte. Zu finden ist sie bei der Achillesferse der Bayerischen Energiewende, der Windkraft. Neben geringeren Abständen zu Erdbebenmessstationen und Kameras für die automatische Abschaltung bei Vogelflug, fordert er Folgendes: Weil sich Windräder im Süden wegen des geringeren Windertrags weniger lohnen, sollten sie unter anderem durch „Bonuszahlungen“ an Betreiber gefördert werden. Das Geld? Muss vom Bund kommen.
Viele Probleme also. Als Kritik will Aiwanger seine Liste aber nicht verstanden wissen. „Das ist kein An-den-Pranger-Stellen, sondern eine Bitte zur Zusammenarbeit“, sagt er, bevor er die Liste vor laufender Kamera signiert und an Habeck adressiert. „Gemeinsam für die Energiewende“, schreibt er schnell darauf. Statt wie geplant in Schweinsleder hat er sie nur halb in Leder und dafür halb in Holz gebunden. Ein Zugeständnis an den grünen Kollegen, wie Aiwanger schmunzelnd verrät. Und seine „Grüße“ verbessert er nachträglich auch noch in „freundliche Grüße“. Am Tonfall soll die Kooperation wohl immerhin nicht scheitern.