München – Der geplante Kapitalschnitt beim kriselnden fränkischen Automobilzulieferer Leoni hat bei Aktionärsvertretern zu Verärgerung geführt. „Für die Aktionäre ist das der schlechtmöglichste Fall und unterscheidet sich eigentlich nicht von einer Insolvenz. Die Aktionäre verlieren ihr komplettes Geld und sind draußen“, sagte Daniela Bergdolt, Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), gestern in München.
Am Mittwoch hatte Leoni ein Sanierungskonzept präsentiert, bei dem die Aktionäre völlig leer ausgehen sollen. Leoni wird von der Börse verschwinden. Nach dem Kapitalschnitt will der österreichische Unternehmer Stefan Pierer (KTM) – er ist bereits einer der größeren Leoni-Aktionäre – mit frischem Kapital in Höhe von 150 Millionen Euro bei Leoni einsteigen. Die Gremien der Gläubigerbanken und die Bundesländer Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sowie der Bund als Bürgen müssen noch zustimmen.
Dass Leoni-Aktionäre ohne Insolvenzverfahren vor dem Totalverlust ihres eingesetzten Kapitals stehen, ist Folge eines neuen Gesetzes. 2021 trat das „Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz“ in Kraft. „Das Gesetz soll noch vor einer Insolvenz die Möglichkeit bieten, ein Unternehmen zu stabilisieren und zu restrukturieren“, sagte Bergdolt. „Die Hoffnung und die Idee ist es, dass damit eine Insolvenz verhindert wird.“ Das Gesetz sei daher ähnlich gestrickt wie das Insolvenzrecht. Statt eines Insolvenzverwalters gebe es einen Restrukturierungsbeauftragten. „Der Plan wird gerichtlich abgestimmt, möglicherweise auch mit einer Versammlung mit allen Betroffenen.“
Bergdolt sagte, dass es aber auch denkbar gewesen sei, Leoni zu sanieren – und zwar mit Hilfe der Aktionäre. „Leoni hat eine sehr gute Marktposition, viele Unternehmen, insbesondere aus der Automobilindustrie, sind auf Produkte von Leoni angewiesen.“ Vorstand und Aufsichtsrat hätten alternativ frühzeitig den Weg für eine Kapitalerhöhung freimachen können. „Viele Aktionäre wären sicherlich bereit gewesen, weiteres Geld in Leoni zu investieren, denn das Geschäft von Leoni hat ja offenbar eine Zukunft“, sagte Bergdolt. „Mich ärgert, dass man den Aktionären diese Möglichkeit jetzt wegnehmen will.“
Die Rechtsanwältin kritisierte, dass sich die Unternehmensführung von Leoni womöglich aus Panik vor einer Insolvenz für den für sie einfachsten Weg entschieden habe. „Es ist leicht, die Aktionäre rauszuwerfen und sich in die Arme eines Großaktionärs zu begeben“, sagte sie.
Leoni stellt mit weltweit mehr als 100 000 Mitarbeitern Kabel- und Netzwerklösungen für die Autoindustrie her, darunter Kabelbäume. 2022 setzte Leoni knapp 5,1 Milliarden Euro um. In den vergangenen Jahren war das Nürnberger Unternehmen immer wieder ins Taumeln geraten und musste zeitweise auf Staatshilfen zurückgreifen. Ein Teilverkauf, der 400 Millionen Euro in die Kassen spülen und zur Entschuldung beitragen sollte, war Ende vergangenen Jahres geplatzt und führte zu einer akuten Notlage. Mit Material von dpa