München – Als Robert Halas an der Raststätte Fürholzen den Tankschlauch an den Stutzen seines iX5 andockt, dämpft er schon mal die Erwartungen: „Das Tanken ist unspektakulär, so wie mit einem normalen Auto“, sagt der BMW-Techniker aus dem Forschungszentrum Garching. Und tatsächlich: Als die Wasserstofftankstelle nach ein paar Sekunden Druck aufgebaut hat, pumpt sie mit leisem Schnauben den gasförmigen Energieträger in die Tanks des BMW. Nach drei Minuten ist der gar nicht so erschreckende Spuk vorbei und der iX5 hat genug Saft für weitere 500 Kilometer.
Während fast die ganze Autobranche fieberhaft an neuen Batterien und schnelleren Ladesystemen forscht, um die Reichweitenangst endlich zu besiegen, will sich BMW nicht allein mit der Batteriemobilität begnügen. Seit ein paar Wochen fahren rund 100 mit Wasserstoff betriebene BMW iX5 Hydrogen kreuz und quer durch die Welt. Für Robert Halas und Projektleiter Jürgen Guldner ist das der vorläufige Höhepunkt von vier Jahren Entwicklungsarbeit. „Endlich sind unsere Autos auf der Straße“, sagt Guldner. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts könnten Wasserstoff-Fahrzeuge bei BMW sogar in Serie gehen. Sie wären dann neben Hyundai Nexo und Toyota Mirai vermutlich eins von nur drei ernst zu nehmenden Wasserstoffmodellen auf dem Markt.
Wasserstoffautos: Bei vielen Experten ruft das eher Kopfschütteln als Euphorie hervor. Schließlich gilt die Batterie und nicht die Brennstoffzelle als Allheilmittel der Elektromobilität. Doch warum ist das so? Ganz einfach: Sie ist am effizientesten. Laut dem Autoclub ADAC kann der Strom eines Windrades mit drei Megawatt Leistung rund 1600 E-Autos antreiben, wenn er direkt in deren Batterien fließt. Muss er erst in Wasserstoff umgewandelt werden und später im Wagen in der Brennstoffzelle wieder zurück in Strom, reicht er wegen der Effizienzverluste nur noch für 600 Fahrzeuge – bei den viel diskutierten eFuels sind es übrigens 250. Zudem ist Wasserstoff in anderen Bereichen wie der Industrie oder im Lkw-Fernverkehr unentbehrlich und die Konkurrenz um ihn groß.
„Alles richtig“, räumt Wasserstoff-Projektleiter Jürgen Guldner von BMW ein. Dennoch sieht er für seine Autos eine Zukunft. „Es gibt viele Einsatzbereiche, in denen die Brennstoffzelle für Verbraucher gegenüber der Batterie Vorteile hat.“ Etwa, wenn es kalt ist und man sich im Batteriefahrzeug zwischen Heizung und Reichweite entscheiden muss. Oder bei Sonderfahrzeugen wie Polizeiautos, die immer fahren müssen, auch wenn länger kein Strom fließen sollte. „Vor allem eigenen sich Wasserstofffahrzeuge aber für die Langstrecke“, erklärt Guldner. Denn statt langer Ladezeiten ist hier wie beim Verbrenner nur ein kurzer Tankstopp nötig. Was dafür bisher jedoch fehlt, ist die Tank-Infrastruktur. In Deutschland gibt es heute nur rund 100 Wasserstofftankstellen, weltweit etwa 1000. Doch der Aufbau hat beispielsweise in China längst begonnen und wird auch bei uns schnell vorangehen, glaubt Guldner. „Schon wegen dem Lkw-Fernverkehr, wo Wasserstoff eine viel größere Rolle spielen wird“, sagt er.
Zumal Guldner ein überraschendes Argument hat, das für den gleichzeitigen Aufbau von Ladesäulen und Wasserstofftankstellen spricht: Es ist billiger. „Mit einer wachsenden Zahl an E-Autos muss man das Stromnetz auf den Extremzustand auslegen, dass alle gleichzeitig laden“, erklärt er und verweist dabei auf eine Studie des Forschungszentrums Jülich „Deshalb braucht man riesige Reserven, um das Netz zu stabilisieren.“ Irgendwann explodieren die Kosten dafür. „Das kann man abpuffern, wenn man neben E-Autos auch Wasserstofffahrzeuge auf den Straßen hat. Die nehmen Druck aus dem System.“
Man merkt: Guldner und Halas sind es gewohnt, vor Zweiflern für ihre Technik zu werben. Mangelnde Effizienz von Wasserstoff? „An Tagen mit viel Sonne und Wind muss man die Energie sowieso speichern, da ist Wasserstoff perfekt“, widersprechen sie. „Außerdem lässt sich Wasserstoff gut in sonnen- und windreichen Gegenden herstellen und importieren.“ Kritische Rohstoffe wie Lithium, Kobalt oder seltene Erden? „Braucht das Brennstoffzellen-Fahrzeug rund 90 Prozent weniger als ein batterieelektrisches, was gut für die Umwelt ist und für eine gewisse Unabhängigkeit sorgt.“ Auch den Einwand, dass es bisher kaum Wasserstoffautos gibt, lassen die beiden nicht gelten. „Da steht doch eines“, sagt Robert Halas und zeigt auf den iX5 Hydrogen hinter ihm, mit dem es jetzt an die Raststätte Führholzen zum Tanken gehen soll.
Beim Fahren funktioniert das Testfahrzeug einwandfrei. Das verbaute Brennstoffzellen-System ist das leistungsfähigste der Welt in einem Auto, die Zelle selbst stammt aus einer Kooperation mit Toyota. Nur wenn es kalt ist, hört man nach dem Stopp kurz, wie sie das Wasser aus dem Wagen bläst, damit es dort nicht gefriert. Der E-Motor ist derselbe wie im batterieelektrischen iX. Er leistet 295 KW und fährt schnell und lautlos. Die Reichweite ist mit 500 Kilometern gleich, spielt aber im Grunde keine Rolle, weil das Fahrzeug in drei Minuten betankt werden kann. Und der Preis soll sich ebenfalls auf ähnlichem Niveau wie dem des elektrischen Bruders einpendeln, sofern das Auto wirklich in Serie gehen sollte.
Zur Serienreife, die BMW in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts anstrebt, braucht es eigentlich nur noch etwas Feinschliff. In der Testphase will das Team deshalb hauptsächlich herausfinden, wie sich das Fahrzeug unter extremen Bedingungen auf der Straße bewährt. Und: Es will prüfen, wie Politik und Medien auf den Wasserstoff-Antrieb reagieren. „Das Auto ist schon sehr ausgereift“, sagen Guldner und Halas. „Jetzt fehlt nur noch die Infrastruktur und die Akzeptanz.“ Doch die ist für die Serienproduktion mindestens genauso wichtig wie die Technik selbst.