München – Nur vier Tage in der Woche arbeiten, gleich viel verdienen und dafür konzentrierter und motivierter bei der Sache sein: Viele Unternehmen haben inzwischen erkannt, dass diese Idee bei Arbeitnehmern gut ankommt. Immer öfter findet sich die Möglichkeit inzwischen in Stellenanzeigen. Eine Studie aus Großbritannien zeigte kürzlich, dass weniger Arbeitstage zumindest bei einigen britischen Unternehmen bereits Realität sind und das Konzept für sie erstaunlich gut funktioniert.
Nun kommt das Thema auch in der deutschen Industrie an. Die IG-Metall will mit der Forderung nach der Vier-Tage-Woche in die Verhandlungen für die Stahlbranche gehen – ausdrücklich mit dem Hinweis, dass ein entsprechender Abschluss Signalwirkung über die Branche hinaus haben soll. Arbeitgeber und Gewerkschaft stellen Pro-und-Contra solch einer Arbeitszeit-Verkürzung gegenüber.
Die Verkürzung der Arbeitszeit war von Beginn an Top-Thema der Gewerkschaften und insbesondere der IG Metall: 1984 setzte die IG Metall die Einführung der 35-Stunden-Woche in der Metall- und Elektroindustrie mit einem fast sieben Wochen langen Streik durch – als Mittel gegen die Massenarbeitslosigkeit, aber auch unter dem Motto „Mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen“.
Die Stahlindustrie war schon oft Vorreiter für fortschrittliche tarifliche Regelungen – auch bei der Arbeitszeit. Die IG Metall hat die Vier-Tage-Woche bereits als tarifliche Möglichkeit zur befristeten Absenkung der Arbeitszeit oder als Instrument zur Beschäftigungssicherung für viele Beschäftigte realisiert.
So wurden etwa 1993 bei Volkswagen in der Autokrise 30 000 Arbeitsplätze gesichert. Die Forderung bei Stahl zielt erstmals auf einen kollektiven, tariflich abgesicherten Anspruch. Das ist ein nächster Schritt in eine attraktive industrielle Arbeitswelt, die Leben und Arbeit gut vereinen lässt. Die Vier-Tage-Woche würde die Stahlindustrie attraktiver für junge Menschen machen, die beim Umbau der kohlebasierten Schwerindustrie hin zu grünem Stahl in den kommenden Jahren dringend benötigt würden. Zugleich bietet die Vier-Tage-Woche auch eine Möglichkeit, die im Zuge des grünen Umbaus der Stahlindustrie zu erwartenden Arbeitsplatzverluste zu verhindern. So sieht es Knut Giesler, IG Metall-Verhandlungsführer für die nordwestdeutsche Stahlindustrie
Für Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft vbw, gehört es zur unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, an wie vielen Tagen und wie lange in einem Betrieb gearbeitet werden soll. Jedes Unternehmen muss das Arbeitszeitmodell finden, mit dem es erfolgreich wirtschaften kann. Gesetze und Tarifverträge dürfen dabei nur den Rahmen festlegen und keinen starren Zwang ausüben.
Zum Beispiel sieht das Arbeitszeitgesetz auch heute noch eine Sechs-Tage-Woche vor. Dass dennoch die Fünf-Tage-Woche (für Vollzeitbeschäftigte) sehr weit verbreitet ist, war eine Entwicklung, die ganz ohne gesetzlichen Zwang auskam. So muss es auch bleiben.
Wenn man nicht nur die vorhandene Arbeitszeit flexibel von fünf auf vier Tage pro Woche umverteilt, sondern gleichzeitig die Wochenarbeitszeit selbst um ein Fünftel verkürzt, führt dies grundsätzlich zu einer Verschärfung des ohnehin gravierenden Fachkräftemangels. Eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit bei gleichbleibendem Lohn wäre wegen dem damit verbundenen Anstieg der Arbeitskosten erst recht kaum machbar.
Wenn einzelne Arbeitgeber im Rahmen ihrer ganz speziellen betrieblichen Bedingungen die Möglichkeit haben, dies in ihren Betrieben durch Produktivitätssteigerungen oder anderweitig auszugleichen, steht dem nichts im Wege.
Ein flächendeckendes Einheitsmodell für alle Arbeitgeber kommt aber nicht in Betracht.