„Keine Angst vor Smartphone und Internet“

von Redaktion

INTERVIEW Informatiker Hannes Bauer über die Nutzung digitaler Medien im Alter

München – Rund sechs Prozent der Menschen in Deutschland haben noch nie das Internet genutzt. Das hat das Statistische Bundesamt in Wiesbaden vergangene Woche mitgeteilt. In Zahlen waren das im Jahr 2022 insgesamt 3,4 Millionen Menschen im Alter zwischen 16 und 74 Jahren. Von den 65- bis 74-Jährigen waren laut der Behörde 17 Prozent noch nie im Internet. Dabei ist es nie zu spät, sich mit dem Internet oder der Nutzung von Smartphones zu befassen, sagt Hannes Bauer, Informatiker und Vorsitzender des Vereins Computerhilfe Oberland in Lenggries im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Bauer organisiert seit Jahren Einsteigerkurse für Senioren und weiß, worauf es ankommt.

Herr Bauer, was beobachten Sie in Ihren Kursen?

Als wir vor einigen Jahren mit den Kursen angefangen haben, hat mich die hohe Nachfrage überrascht. Wir haben festgestellt: Ab einem Alter von 50 oder 55 Jahren interessieren sich Menschen zunehmend für digitale Themen.

Woher kommt das Interesse?

Meist werden die Menschen gedrängt, sich mit der Technik zu befassen.

Drängen Behörden? Oder die Enkelkinder?

Primär sind es tatsächlich Verwandte wie Kinder oder Enkel. Insbesondere während der Pandemie war das so. Damals wurde auch die Corona-Warn-App eingeführt. Wer die Technologie nutzen wollte, musste sich ein Smartphone kaufen. Allmählich werden auch in der öffentlichen Verwaltung immer mehr Prozesse digitalisiert. Man braucht immer öfter eine E-Mail-Adresse oder muss Web-Seiten besuchen – viele Menschen hören zum ersten Mal in ihrem Leben von diesen Begriffen.

Was raten Sie Betroffenen?

Die Mehrheit der Seniorinnen und Senioren ist mit der komplexen Technik der Geräte oft überfordert, Beratungsstellen sind daher wichtige Anlaufpunkte. Und ich würde immer einen Einsteiger-Kurs empfehlen. Nicht nur Vereine wie der unsere, auch viele Volkshochschulen bieten solche Kurse an.

Wie gehen Sie in Ihren Kursen vor?

Wir bieten Kurse an, in denen wir Grundlagenwissen vermitteln: Es geht um Unterschiede wie „digital“ und „analog“, wir erklären, dass in der digitalen Welt alles auf Nullen und Einsen basiert. Alle Informationen am PC oder auf dem Smartphone – sei es ein Buchstabe, ein Foto oder ein Video – werden auf der Basis von Nullen und Einsen dargestellt. Da niemand von uns damit etwas anfangen kann, gibt es in jedem Gerät einen Übersetzer, der die Nullen und Einsen in einen Buchstaben, ein Foto oder ein Video übersetzt.

Welche Grundlagen vermitteln Sie noch?

Etwa unterschiedliche Gerätetypen und die Technologie dahinter. Was ist ein Smartphone? Was ist ein iPad? Was ist ein Tablet? Und was ist Mobilfunk und was ist eine SIM-Karte?

Warum ist dieses Grundlagenwissen wichtig?

Ziel ist es, den Teilnehmern die Angst vor den Geräten und dem Internet zu nehmen. Die Teilnehmer müssen ein Gefühl dafür bekommen, von was wir eigentlich reden. Ein 70-Jähriger kann mit dem Begriff Digitalisierung nicht zwingend etwas anfangen – also müssen wir die Grundlagen klären. Bei Smartphones ist es wichtig zu wissen, wie die Funktechnik überhaupt funktioniert und warum die Geräte kein Kabel haben. Ob die Funksignale am Ende über WLAN, Mobilfunk, NFC oder Bluetooth übertragen werden, ist zweitrangig. Für viele Menschen über 70 sind das alles sehr abstrakte Begriffe. Wichtig ist daher zu verstehen, dass sich hinter jedem der Begriffe eine Funktechnik verbirgt.

Es gibt auch Menschen, die bereits im Berufsleben am Computer gearbeitet haben.

Aber oft haben sie nur Text-Programme wie Word genutzt. Gab es ein Problem, wurde sofort die IT-Hotline angerufen. Wir versuchen daher, in unseren Praxiskursen Hilfe zur Selbsthilfe zu vermitteln: Wir erklären, wie man Google bedient und YouTube-Tutorials findet – inzwischen gibt es sehr gute Videos von Senioren für Senioren. Viele Kursteilnehmer sind erstaunt, wenn in den Videos genau das erklärt wird, was sie gerade wissen wollten.

Was interessiert die Senioren besonders?

Smartphones. 20 Prozent unserer Workshops sind PC-Workshops, 80 Prozent sind Smartphone-Workshops. Die Teilnehmerzahl liegt maximal bei sechs, die Teilnehmer bringen ihre eigenen Smartphones mit, teilweise sind die seit drei Jahren unbenutzt, weil sie die Geräte geschenkt bekommen haben.

Was erfahren die Teilnehmer?

Am Anfang machen wir uns mit den Einstellungen des Smartphones vertraut, am Ende geht es um den Play- Store, hier laden wir Apps auf das Smartphone und wenden die auch gleich an.

Können auch Enkelkinder eine Hilfe bei den ersten Schritten sein?

Nein – leider ist das immer das Gleiche: Die Enkel nehmen das Smartphone der Oma in die Hand, drücken fünfmal drauf und sagen: „Hier, Oma, jetzt geht wieder alles.“ Damit ist den Betroffenen nicht geholfen. Das Wissen muss strukturiert vermittelt werden.

Was ist dann der Effekt?

Nach sieben Kursen nehmen die Teilnehmer das Smartphone ganz anders in die Hand. Die Angst ist weg, dass man versehentlich irgendwo drauftippt und nicht mehr weiterkommt.

Und was sind Ihre wichtigsten Tipps im Alltag?

Viele wissen nicht, dass es auf dem Smartphone einen „Home-Button“ gibt, um automatisch zurück auf die Startseite zu gelangen. Und: Geschätzt 80 Prozent der Probleme auf dem Smartphone lassen sich dadurch lösen, indem das Gerät einmal ausgeschaltet und anschließend wieder angeschaltet wird.

Interview: Sebastian Hölzle

Artikel 2 von 11