München – Der Umstieg auf die E-Mobilität, Strafen für den CO2-Ausstoß und jetzt auch noch schärfere Abgasnormen: Die Politik zieht die Daumenschrauben für die Nutzfahrzeugbranche weiter an. Zu weit, warnt Karina Schnur, Betriebsratschefin von MAN und der VW-Nutzfahrzeug-Tochter Traton, zu der neben MAN unter anderem Scania und Navistar gehören. „Wir können nicht alles gleichzeitig machen“, sagt Schnur. „Die Politik überfordert unsere Branche massiv. Das könnte im schlimmsten Fall Tausende Jobs kosten.“
Laut Schnur steckt MAN Mitten im Umbau zur E-Mobilität. Ab 2024 sollen im Stammwerk München E-Lkw für den Schwerlast- und Fernverkehr vom Band laufen. Gleichzeitig entsteht im Motorenwerk Nürnberg eine Batteriefertigung. „Wir bauen unsere Werke gerade komplett um und schulen alle Mitarbeiter“, sagt Schnur. Schon bald sollen die Hälfte der neuen Lkw des Münchner Herstellers elektrisch sein. So will es auch die Politik und verschärft die Flottengrenzwerte ab 2025 schrittweise. Mittelfristig sind sie nur mit hohem E-Anteil zu erzielen. Werden sie nicht eingehalten, drohen den Herstellern Milliarden-Strafen.
Diese Strafen könnten tatsächlich fällig werden, befürchtet die Arbeitnehmervertreterin. Denn: „Wir haben die nötigen E-Fahrzeuge in wenigen Monaten im Angebot, doch noch gibt es keine Ladesäulen dafür.“ Die Bundesregierung habe zwar den Bedarf ermittelt, gebaut sei bisher aber nichts. Auch wenn Spediteure sich selbst die Infrastruktur auf den Hof stellen wollen, dauere das meist viel zu lange und sei mit hohen bürokratischen Hürden verbunden. „Wenn es keine Ladeinfrastruktur gibt, wird aber auch niemand E-Lkws kaufen“, befürchtet Schnur. Zusammen mit Partnern will der MAN-Mutterkonzern Traton selbst 1700 Schnelllader errichten, doch das werde bei weiten nicht reichen. „Deshalb muss die Politik hier endlich liefern.“
In einem anderen Bereich fordert die Betriebsratschefin jedoch weniger Tempo: Bei der neuen Abgasnorm Euro 7, die weniger das CO2, sondern eher andere Umweltgifte wie Stickoxide reduzieren soll. Sie wird gerade diskutiert und soll Mitte 2027 kommen. „Die Norm zwingt uns nun, eine Milliarde Euro in eine aufwendige Weiterentwicklung des Verbrenners zu investieren, obwohl das Geld bei der E-Mobilität viel dringender benötigt wird“, sagt Schnur. „Außerdem müssen wir dafür 400 Entwickler aus der E-Mobilität abziehen, die dort dann fehlen.“ Die Abgasnorm erschwere deshalb den Hochlauf der E-Mobilität. „Wir brauchen technisch machbare Grenzwerte und der Start von Euro 7 muss in Richtung 2030 verschoben werden“, fordert die Gewerkschafterin – zumal 2027 Euro 7 auch für Autos fällig wird. „Dann müssen Tausende Pkw und Lkw gleichzeitig zertifiziert werden, und zwar jede Variante einzeln – vom Feuerwehrauto bis zum Betonmischer. Den Behörden fehlen dafür aber die Mitarbeiter und die Prüfstände.“ Es drohe ein riesiger Rückstau samt Verkaufs- und Produktionsstopp für noch nicht zertifizierte Modelle. „Die Mitarbeiter, die sie produzieren, müssten wir dann wohl in Kurzarbeit schicken.“
Mangels Ladesäulen könnten E-Lkw also zum Ladenhüter werden. Das hätte hohe Strafzahlungen für Hersteller zur Folge, obwohl sie bereits viele Milliarden in die Entwicklung von E-Modellen investiert haben. Zugleich müssen sie wegen Euro 7 noch einmal viel Geld in die Verbrenner-Technik stecken. Für Schnur ein Horror-Szenario: „Wenn das alles wirklich so kommt, drohen bei uns die Lichter auszugehen“, warnt sie. „Es geht hier um sehr viele Arbeitsplätze“, warnt Schnur, die heute gemeinsam mit Branchenvertretern in Brüssel sein wird, um die Politik auf die Probleme aufmerksam zu machen. Ihr Wunsch: „Statt uns zu Investitionen in allen Bereichen zu zwingen, sollte die Politik uns lieber beim ohnehin schwierigen Umstieg auf die E-Mobilität unterstützen. Nur so bleiben Europas Nutzfahrzeughersteller konkurrenzfähig. Auch für den Klimaschutz wäre das sinnvoller.“