Gutschein-Debakel bei ProSiebenSat.1

von Redaktion

VON THOMAS MAGENHEIM- HÖRMANN

München – Für die TV-Gruppe Gutschein-Debakel bei ProSiebenSat.1 wäre es besser, wenn die Lage nicht so brisant wäre, wie sie sich anhört: Bei der um acht Wochen verschobenen Bilanzvorlage hatte der neue Konzernchef Bert Habets jedoch alles andere als gute Nachrichten parat. Brandherde gibt es im MDax-Konzern nämlich einige. Am bedrohlichsten klingt das Debakel um die Gutschein-Tochter Jochen Schweizer mydays.

„Die möglichen finanziellen Belastungen für den Konzern im Zusammenhang mit den behördlichen Untersuchungen sind derzeit noch nicht abschätzbar, könnten aber erheblich sein“, umriss Habets das Problem. Was „erheblich“ bedeuten könnte, weigerte er sich abzuschätzen. Die Behörden, von denen der Niederländer spricht, sind Finanzaufsicht Bafin und Staatsanwaltschaft. Das hat Drohpotenzial.

Die Sache mit den Jochen-Schweizer-Gutscheinen ist kompliziert: Pro Sieben Sat1 hat Jochen Schweizer 2016 für 108 Millionen Euro mehrheitlich vom gleichnamigen Gründer übernommen. Die Firma gibt Eventgutscheine aus, die bei Partnern eingelöst werden können, um etwa mit einem Gleitschirm zu fliegen oder mit einem Fallschirm abzuspringen. Seit sechs Jahren betreibt die TV-Gruppe das Nebengeschäft. Vor Kurzem wurde bemerkt, dass man das mangels Lizenz nicht hätten tun dürfen und die Bafin informiert. Im Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz gibt es einen Passus, demzufolge für Gutscheine ab 250 Euro eine sogenannte eGeld-Lizenz nötig ist, die Jochen Schweizer fehlt. Etwa ein Fünftel, also ein erheblicher Anteil aller Umsätze von zuletzt jährlich 73 Millionen Euro, entfällt auf diese Kategorie. Trotzdem wurden jahrelang solche Gutscheine verkauft.

Intern wird nun von externen Rechtsanwälten ermittelt, wie das geschehen konnte. Stets durchgewunken haben das Geschäft mit der fehlenden Lizenz übrigens Wirtschaftsprüfer von EY, die auch den Skandalkonzern Wirecard geprüft haben. In Absprache mit der Bafin hat Habets das Produktportfolio von Jochen Schweizer nun um Gutscheine über 250 Euro bereinigt. Auch andere Gutscheinkategorien, die keinen genauen Zweck bescheinigen, sind betroffen.

Der Umstand, dass Jochen Schweizer aber jahrelang wesentliche Teile des Geschäfts ohne nötige Lizenz betrieben hat, könnte noch eine Strafe nach sich ziehen, wie Habets befürchtet.

Denn die Staatsanwaltschaft München ist aktiv geworden. Man habe Vorermittlungen eingeleitet, bestätigt eine Behördensprecherin auf Anfrage. In deren Rahmen werde nun geprüft, welche Straftaten vorliegen könnten, um dann ein förmliches Verfahren gegen Tatverdächtige einzuleiten, falls ein Anfangsverdacht entsteht. Für die Bafin indessen ist die Sache mit dem Einstellen der Geschäfte ohne Lizenz erledigt, erklärte eine Sprecherin. Strafen finanzieller Art seitens der Finanzaufsicht gebe es nicht. Staatsanwaltschaftlich und strafrechtlich könnte das anders sein.

„Wer Finanzgeschäfte ohne nötige Lizenz betreibt, bewegt sich im strafrechtlich relevanten Raum“, erklärt ein Rechtsexperte. Unrechtmäßig erzielte Erlöse könnten dann nachträglich abgeschöpft und auch eine zusätzliche Geldstrafe verhängt werden. Möglich seien zudem Haftstrafen.

Zählt man das alles zusammen, könnte Jochen Schweizer und damit Gutschein-Debakel bei ProSiebenSat.1 am Ende im schlimmsten Fall eine niedrige dreistellige Millionensumme zu zahlen haben. Das wäre sicher erheblich, aber nicht wirklich bedrohlich. Noch liegt aber nicht alles auf dem Tisch. Insofern kann die Schlussrechnung auch ganz anders aussehen. Gutschein-Debakel bei ProSiebenSat.1-Finanzchef Ralf Peter Gierig musste jetzt jedenfalls gehen, was angeblich nichts mit dem Debakel bei Jochen Schweizer zu tun hat. Er wird durch Martin Mildner ersetzt, der vom Internetdiensteanbieter United Internet abgeworben wurde.

Zudem hat Habets einen harten Sparkurs ausgerufen, der Stellen kosten wird. In welcher Dimension, wollte der 52-Jährige noch nicht sagen. Zuletzt haben knapp 7300 Beschäftigte für seinen Konzern gearbeitet. Der Kahlschlag hat mit dem seit Jahren schwächelnden TV-Kerngeschäft zu tun, das durch hohe Inflation und Konsumflaute in Folge des Ukraine-Kriegs zusätzlich einen Dämpfer erfahren hat. Der Konzernumsatz ging 2022 deshalb um sieben Prozent auf 4,2 Milliarden Euro zurück. Der Gewinn nach Steuern schrumpfte gut doppelt so stark auf noch 301 Millionen Euro. Die Dividende wurde von 80 auf fünf Cent eingedampft, der Aktienkurs brach am Freitag um ein Viertel ein. 2023 erwartet Habets stagnierende Umsätze und einen neuerlichen Gewinnrückgang um ungefähr ein Sechstel. Eventuelle Belastungen aus dem Debakel bei Jochen Schweizer sind da allerdings noch nicht berücksichtigt.

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