München – Heinrich Traublinger war immer beides: Politiker und Handwerker aus Leidenschaft – als Geschäftsführer der eigenen Bäckereikette, als Münchner Stadtrat, als Landtagsabgeordneter und als Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Heute wird Traublinger 80 Jahre alt und erzählt im Interview, was es zum Fest für Kuchen gibt, was er von den Plänen zum Industriestrompreis hält – und was seine Rauhaardackelzucht so macht.
Herr Traublinger, wie feiern Sie denn Ihren 80. Geburtstag?
Am Geburtstag selbst wird gar nicht groß gefeiert. Das wird ein ganz ruhiger Tag mit der Familie. Die Geburtstagsfeier machen wir dann am Freitag im Alten Rathaussaal.
Sie sind ja auch Ehrenbürger der Stadt München.
Die Feier ist trotzdem ganz privat mit Freunden und Familie, nichts Offizielles.
Welche Geburtstagstorte gibt es denn? Sie sind ja selbst Konditor.
(lacht). Da müssen Sie meine Frau fragen, da kümmere ich mich gar nicht drum. Aber sie weiß ja, was ich gerne mag.
Und was?
Alles mit Frucht. Also wird es bestimmt einen Erdbeerkuchen geben, aber ich mag auch Himbeeren, Äpfel und Ananas, alles, was zu Gebäck gut passt.
Überlassen Sie das Backen Ihrer Frau?
Nein, sie backt die Kuchen nicht selbst, sie sucht sie nur aus.
Im eigenen Geschäft natürlich?
Aber selbstverständlich, das wär ja schlimm, wenn es anders wäre.
Sie haben den Betrieb ja schon vor Längerem an Ihren Sohn übergeben.
Ja, in vierter Generation. Wir sind beide Geschäftsführer, ich bin also noch dabei, allerdings: Ich rede ihm nicht drein.
Aber Sie lassen sich ab und zu im Geschäft sehen?
Ja, natürlich. Wenn ich zufällig an einer Filiale vorbeikommen, gehe ich schon rein und sage den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Grüß Gott. Aber im operativen Geschäft bin ich nicht mehr tätig.
Sind Sie zufrieden damit, wie Ihr Sohn das macht?
Ja, sehr. Ich habe auch noch das Glück, eine Schwiegertochter zu haben, die Konditormeisterin ist. Mein Sohn ist Bäckermeister und Konditormeister, genau wie ich auch.
Was glauben Sie, haben Ihre Nachfolger es heute leichter oder schwerer als Sie?
Schwerer, eindeutig. Wir damals, wir konnten über Jahrzehnte nach und nach etwas aufbauen. Das war in Deutschland fast schon eine Selbstverständlichkeit: Es ging immer bergauf. Das ist heute nicht mer unbedingt so. Dazu kommen die Bürokratie und die Steuer, die die Betriebe immer mehr belasten. Und dann natürlich die Pandemie und der Fachkräftemangel.
Sie waren über 20 Jahre an der Spitze des bayerischen Handwerks. Hätten Sie sich jemals träumen lassen, wie sehr heute um jeden Lehrling gerungen wird?
Es war im Bäckerhandwerk immer schon schwierig. Wir arbeiten ja sehr früh, und wir arbeiten am Samstag, mittlerweile auch am Sonntag. Das schreckt viele junge Leute ab. Heute ist es natürlich noch schwieriger geworden. Die Jugendlichen können sich die Ausbildungsplätze ja aussuchen. Umso wichtiger, dass wir die Vorteile betonen, die wir zu bieten haben. Wir fangen ja nicht nur früh an, sondern wir hören auch früh auf. In einer Gegend wie Oberbayern kann man mit einem freien Nachmittag, gerade im Sommer, ja durchaus etwas anfangen.
Wie war das bei Ihnen? Haben Sie je überlegt, was anderes zu machen?
Ich wurde nie zu etwas gezwungen, ich bin da so hineingewachsen. Mein Vater war ja auch Bäcker. Ich muss aber sagen, ich habe die Berufswahl nie bereut. Es war auch immer mein Ziel, für das Handwerk Politik zu machen. Ein Schlüsselerlebnis war meine Wahl zum „besten Bäcker Deutschlands“. Da habe ich mir gedacht, man kann doch als Handwerker etwas schaffen. Ich bin dann ja mit 29 in den Münchner Stadtrat gewählt worden und da fast drei Amtsperioden. Die dritte wurde nicht ganz voll, weil ich dann in den Landtag gewählt wurde. Auch da habe ich versucht, meine Erfahrung als Handwerker politisch umzusetzen. Ich habe immer wieder festgestellt, dass so manche Entscheidung nicht aus Böswilligkeit, sondern aus Unwissenheit entsteht.
Glauben Sie, dass bei den Plänen zur Energiewende jemand einen Handwerker gefragt hat?
Nein, mit Sicherheit nicht. Wenn ich mir nur die Debatte um den Industriestrompreis anschaue. Schon als wir noch das EEG, also das Erneuerbare Energiengesetz, hatten, mussten Großverbraucher nur zehn Prozent des Preises bezahlen, den andere Verbraucher, der Mittelstand und das Handwerk bezahlt haben. Die mussten sogar mehr als 100 Prozent bezahlen, weil sie ja auch noch die Ausfälle bei den Großverbrachern ausgleichen mussten. Dabei wird überall, wo mit Wärme und mit Kälte gearbeitet wird, viel Strom verbraucht. Also in meiner Branche, aber auch beim Metzger. Jetzt gibt es das EEG nicht mehr. Aber in der Diskussion um den Industriestrompreis gibt es bis jetzt wieder keinerlei Anzeichen, dass man sich auch ums Handwerk und den Mittelstand Gedanken gemacht hat. Wir dürfen nicht wieder vergessen werden.
Werden Sie noch um Rat gefragt?
Auf der politischen Schiene habe ich keine Funktion mehr. Aber wenn ich glaube, dass etwas wirklich falsch läuft, dann melde ich mich schon immer noch zu Wort.
Jemand, der zeit seines Lebens so viele Funktionen und Ämter hatte, was macht der mit 80?
Ich bin ja noch in einem Bereich beruflich aktiv, ich bin Lehrbeauftragter an der Hochschule München. Da unterrichte ich zum Thema Unternehmensführung BWL-Studenten. Da kann ich meine Erfahrung an junge Leute weitergeben.
Und privat? Sie wollten sich nach Ihrem Ausscheiden als Handwerkskammer-Präsident doch der Rauhaardackelzucht widmen?
(lacht). Das mache ich schon seit 40 Jahren. Züchten tue ich nicht mehr, aber natürlich habe ich noch Rauhaardackel.
Wie viele denn?
Drei Hündinnen, Mutter, Tochter, Enkeltochter.
Rauhaardackel sind ja eine etwas unterschätzte Rasse, in der Stadt sieht man sie kaum noch.
Aber die kommen wieder. Er wird wieder in, der Dackel.
Und sonst? Sie haben ja viele Enkel.
Ja, aber die sind alle schon groß. Glücklicherweise hatte ich in den vergangenen Jahren mehr Zeit für sie, als ich damals für meine Kinder hatte. Jetzt habe ich schon den ersten Urenkel.
Wie schön. Jetzt müssen sich nur noch die Enkel und Urenkel finden, die die fünfte Bäckerei-Traublinger-Generation sicherstellen.
Ja, das wäre ein Traum.
Interview: Corinna Maier