München – Jahrelang galt der Bau als eines der Zugpferde der Region, wegen des allgegenwärtigen Baubooms vermeldete die Branche stets glänzende Geschäfte: „Manche meinten schon, es wird langsam langweilig“, scherzte Wolfgang Schubert-Raab, Präsident des Landesverbands der bayerischen Bauinnungen. Doch die Lage ist ernst, wie der Verbandschef gestern bei der Vorstellung der halbjährlichen Konjunkturzahlen erklärt: „Vor allem im Wohnungsbau ist der Einbruch erschreckend, denn die Baugenehmigungen in Bayern rauschen in den Keller. “
Konkret brachen die Baupläne im ersten Quartal um 28,9 Prozent zum Vorjahr ein, in Niederbayern seien es sogar über 50 Prozent gewesen. Dazu kämen immer mehr Stornierungen. Fast die Hälfte aller Betriebe hätte zu wenig Aufträge, um in den nächsten Monaten ausgelastet zu sein.
Schuld seien die hohen Kosten: „Die Preise im Bauhauptgewerbe sind 2022 um 16,8 Prozent gestiegen“, so Schubert-Raab. Die Kosten am Bau setzten sich jeweils zur Hälfte aus Material- und Lohnkosten zusammen.
Dazu kämen die hohen Grundstückspreise, die keine Anstalten machten, zu sinken. Auf dieses hohe Preisniveau müssen Bauwillige inzwischen gut vier Prozent Zinsen bezahlen, nachdem das Geld zuvor jahrelang extrem günstig war. Angesichts sinkender Reallöhne für viele zu viel: Laut Baugewerbe sank das Volumen im deutschen Kreditneugeschäft zwischen März und November 2022 von sieben Milliarden auf kaum mehr als zwei Milliarden Euro. Denn unter den hohen Kosten leidet die Rentabilität: „Eine frei finanzierte Wohnung in Deutschland erfordert aktuell eine monatliche Kaltmiete von 17,50 Euro je Quadratmeter.“ In den oberbayerischen Ballungszentren seien es dementsprechend mehr. Preise, die sich selbst in München nicht überall durchsetzen lassen.
Dementsprechend sei der Neubau in den meisten Gegenden Bayerns für Investoren gerade unmöglich. „In Nürnberg gibt es dieses Jahr kein einziges Neubauprojekt.“ Ein Bild, das sich durchzieht: Das Baugewerbe erwartet, dass dieses Jahr nur 245 000 Wohnungen fertiggestellt werden, das politische Ziel waren einmal 400 000. „2025 werden in Deutschland 700 000 Wohnungen fehlen“, sagte Verbandschef Schubert-Raab.
Er kritisiert die hohen energetischen Anforderungen als Kostentreiber – und forderte mehr Subventionen: „Früher wurde noch der Effizienzhaus-50-Standard gefördert, heute ist es nur noch der EH 40.“ Damit seien viele Bauherren außen vor. „Die Politik kann weder die Zinsen noch die Baukosten verändern. Sie kann aber die Förderanreize verbessern“, so Schubert-Raab. Dafür müsse der Fördertopf auf rund zehn Milliarden Euro rund verzehnfacht werden.
Zudem bräuchte es eine Grundsteuerbefreiung für Erstkäufer – und günstige Zinsen, etwa für Senioren: „Viele leben in zu großen Immobilien und würden gerne in eine kleinere wechseln – da zahlen sie aktuell aber oft drauf.“
Grundsätzlich sei es dringend nötig, sich über die Flächennutzung Gedanken zu machen: „Vor zehn Jahren wurden Einfamilienhäuser noch mit 110, 120 Quadratmetern geplant, heute sind es 140 plus – da muss man sich schon fragen, ob es nicht eine Nummer kleiner geht.“ MATTHIAS SCHNEIDER