Neue Jahrestiefs bei Öl und Gas

von Redaktion

VON MATTHIAS SCHNEIDER

München – Die Lage an den Energiemärkten entspannt sich weiter deutlich. Während die Erneuerbaren die Strompreise senken, kostet Gas erstmals in diesem Jahr unter zehn Cent die Kilowattstunde. Besonders freuen können sich Heizölkunden.

Gas

Der Großhandelspreis für Gas in Europa hat mit knapp 33 Euro je Megawattstunde (MWh) ein neues Jahrestief erreicht, erklärt Louisa Wasmeier, Markt-Expertin bei der Forschungsstelle für Energiewirtschaft: „Durch die geringe Nachfrage und die vollen Speicher hat sich der Gaspreis auf verhältnismäßig niedrigem Niveau eingependelt.“

Nach oben erwartet Wasmeier vorerst keine großen Ausschläge: „Über den Sommer sehen wir keine großen Risiken, wenn nichts Unvorhergesehenes geschieht. Auch die Beschaffung für die Gasspeicher dürfte am Markt schon eingepreist sein, außerdem sind sie zu über 60 Prozent gefüllt.“

Aber auch nach unten gebe es wenig Spiel: „Viel günstiger dürfte es aber rein technisch nicht werden: Die Transportkosten für Flüssiggas setzen bei 30 bis 40 Euro die Untergrenze.“ Das heißt: „Selbst wenn sich das Angebot am Weltmarkt vergrößert, bleiben die Kosten für LNG damit 50 bis 100 Prozent über dem Vorkrisenniveau.“ Und: „Das dürfte sich auch in den kommenden Jahren nur ändern, falls wir wieder günstiges Pipelinegas bekommen.“ Für den Winter werden am Markt gerade Spitzenpreise über 50 Euro erwartet, der Informationsdienst S&P-Global rechnete kürzlich noch mit über 60 Euro. Wasmeier: „Die Gaspreise hängen im weiteren Jahresverlauf maßgeblich daran, wie kalt der Winter in Europa und den anderen Wettbewerberregionen wird.“ Ein weiteres Risiko: „Im Sommer kann die Stromerzeugung ein Faktor sein: Laufen in Europa etwa wie 2022 durch Dürre weniger Wasser-, Kohle- und Atomkraftwerke, muss mehr Gas verstromt werden.“ Noch sieht es gut aus: „Es regnet ausreichend und auch die französischen AKW machen deutlich weniger Probleme als vergangenes Jahr.“

. Tipp für Verbraucher

Der Abwärtstrend beim Großhandelsgaspreis ist stabil, Experten erwarten mittelfristig aber nur noch rund zehn Prozent Abwärtspotenzial. Derzeit kostet günstiges Gas im Schnitt 9,9 Cent je Kilowattstunde brutto, günstigere Tarife sind möglich. Im Winter sind relevante Aufschläge denkbar. Grundsätzlich bleibt durch den Krieg in der Ukraine aber in beide Richtungen Restunsicherheit. Wer auf Sicherheit bedacht ist, sollte einen Vertrag mit Preisbindung über ein Jahr erwägen.

Strom

Strom kostet am deutschen Großmarkt derzeit mit rund 92 Euro je MWh gut zehn Prozent weniger, als noch Ende April. Louisa Wasmeier; „Die Strompreise profitieren gerade von günstigeren Preisen für Gas, CO2-Zertifikate und mehr PV-Einspeisung.“

Die Abschaltung der deutschen AKW war nach einem Monat – wie in diesem Format berichtet – kaum spürbar, wie jetzt auch die Bundesnetzagentur bekanntgab: An der Börse seien keine Preissteigerungen festzustellen, Strom sei im Gegenteil sogar billiger geworden, sagte Vizepräsidentin Barbie Kornelia Haller dem „BR“: „Die Auswirkungen sind extrem gering“, stellte sie fest. Der Wegfall des Atomstroms werde unter anderem durch mehr Erneuerbare Energien aufgefangen.

An dieser Stelle eine vorgezogene Halbjahresbilanz zum Ausbau, der unter der Ampel-Regierung deutlich Fahrt aufgenommen hatte: Bisher wurden laut Bundesnetzagentur rund ein Gigawatt (GW) Windkraft und fast vier GW Solarenergie zugebaut. Zum Vergleich: Die letzten drei AKW kamen gemeinsam auf vier Gigawatt Spitzenlast.

Doch noch ist Gas in Stunden mit hohem Strombedarf weiter der entscheidende Preissetzer, sagt Louisa Wasmeier. Hier gibt es eine erfreuliche Entwicklung: Steinkohle, die den Preis festlegt, wenn die Gaskraftwerke nicht gebraucht werden, ist seit Ende April 25 Prozent günstiger geworden. Wasmeier: „Meiner Einschätzung nach führt der günstigere Kohlepreis zu bestimmten Stunden zu geringeren Strompreisen, in denen Kohle preissetzend ist.“

Laut Thu Lan Nguyen, Chef-Rohstoffanalystin der Commerzbank, sind die Kohlepreise, ähnlich dem Öl, wegen der globalen Konjunktursorgen gesunken. Aber: „Mittelfristig sehen wir beim Kohlepreis eher Aufwärtspotenzial. Vor allem die Tendenzen in Asien sollten hierbei Rückenwind geben.“ Ein Hauptgrund sei China: „Eine Rolle könnte eine drohende Hitzewelle beziehungsweise eine anhaltende Dürre sein, die die Stromerzeugung aus der Wasserkraft erneut beeinträchtigen könnte.“ Auch in Indien kletterte die Stromnachfrage aufgrund einer Hitzewelle gerade auf ein Rekordhoch.

. Tipp für Verbraucher

Durch den schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien und günstige Steinkohle gibt es im Sommer Chancen auf noch günstigere Preise. Da Gas aber weiter Preissetzer ist, würde jeder Ausschlag hier – etwa durch Kälte oder Dürre – beim Strom spürbar. Für den Winter werden am Großmarkt deutliche saisonale Aufschläge erwartet. Tarife gibt es für rund 31 Cent brutto je kWh und darunter.

Öl

Die Rohölpreise hatten in den vergangenen Wochen eine wilde Achterbahnfahrt aus Konjunkturschocks und Förderkürzungen hinter sich. Derzeit notiert das Barrel mit 74 Dollar relativ günstig. Sören Hettler, Analyst bei der DZ-Bank: „Tatsächlich haben die globalen Konjunktursorgen zuletzt merklich zugenommen, wobei hier neben der Geldpolitik auch die Negativschlagzeilen aus dem US-Bankensektor und die möglichen Auswirkungen der Spannungen auf die dortige Kreditvergabe ihren Beitrag geleistet haben.“ Hinzu kämen die bisher durchwachsenen Konjunkturdaten aus China.

Doch das Förderländerkartell Opec+ hatte erst ab Mai die Produktion gekürzt, weil es Preise unter 80 Dollar pro Fass nicht tolerieren will. Hettler: „Weitere Förderkürzungen dürften derzeit zwar nicht auf der Agenda stehen, denkbar wäre jedoch, dass Opec-Vertreter medienwirksam über mögliche Schritte nachdenken. Allein eine derartige Androhung dürfte genügen, um dem Ölpreis einen Schub nach oben zu liefern.“ Dazu komme das stetige Wachstum in China, besonders durch den Flugverkehr: „Wir rechnen weiterhin damit, dass der Rohölpreis in den nächsten Monaten spürbar steigen wird.“

. Tipp für Verbraucher

Heizöl hat mit 85 Cent pro Liter in München sein Jahrestief erreicht. Oliver Klapschus vom Vergleichsportal Heiz-oel24 sieht noch Spiel nach unten: „Der Abwärtstrend ist seit Oktober 2022 stabil, man hat also leicht bis Juli und August Zeit, noch mal zu pokern.“ Vor allem nach den Sommerferien stiege die Nachfrage gewöhnlich. Aber: „Wenn die Preise noch mal sinken, werden Leute zuschlagen – es wird also eine Schaukelbewegung geben.“ Davon unabhängig gebe es durchaus Weltmarktrisiken.

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