BGH verhandelt über Schiedsgerichte

von Redaktion

VON MARCO KNEFTING

Karlsruhe – Es ist ein wenig kurios: Staaten schließen Verträge ab, nach denen bei Streitigkeiten zwischen einem Land und Investoren aus einem anderen Land unabhängige Schiedsgerichte schlichten sollen. Dahinter steckt die Absicht, Unternehmen beim Investieren Sicherheit zuzusichern. Doch als Deutschland und die Niederlande angesichts der Klimakrise ihre Energiepolitik ändern, so Konflikte mit ausländischen Investoren auslösen und diese dann eben jene Schiedsverfahren starten, wollen die EU-Staaten das stoppen.

Über drei Fälle dieser Art innerhalb der EU hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch in Karlsruhe verhandelt. In den mehr als drei Stunden wurde die Komplexität der damit verbundenen Rechtsfragen deutlich. Womöglich widersprechen gesetzliche Regeln in Deutschland, etwa in der Zivilprozessordnung, und EU-Rechtsprechung dem Ansinnen, Konflikte von einer unabhängigen Instanz lösen zu lassen. Dann stellt sich die Frage, was schwerer wiegt. Der BGH will am 27. Juli sein Urteil dazu sprechen (Az. I ZB 43/22).

Die Firmen – darunter RWE und Uniper – haben am Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), das Konflikte zwischen Regierungen und ausländischen Investoren schlichten soll, Verfahren eingeleitet. Sie sehen sich um hohe Summen geschädigt, in einem Fall gar rund 1,4 Milliarden Euro. Das ICSID ist eine unabhängige Einrichtung innerhalb der Weltbankgruppe; die Bundesrepublik Deutschland ist seit der Gründung 1966 Mitglied.

Bei RWE und Uniper geht es nach BGH-Angaben um Investitionen in niederländische Kohlekraftwerke. Das Königreich hat zwischenzeitlich aber beschlossen, bis zum Jahr 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen. In dem anderen Verfahren beklagen mehrere Firmen eines irischen Konzerns, dass Deutschland seine Gesetzgebung zur Windenergie speziell für Offshore-Anlagen geändert hat.

Die beiden Staaten wandten sich an deutsche Gerichte, um feststellen zu lassen, dass die Verfahren unzulässig seien. Das Oberlandesgericht Köln und das Berliner Kammergericht kamen jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen darüber, ob die Anträge rechtmäßig sind.

Der Vorsitzende Richter des ersten Zivilsenats am BGH, Thomas Koch, machte deutlich, welche Fragen es zu prüfen gilt. Dabei geht es unter anderem darum, ob deutsche Gerichte internationale Zuständigkeit haben und wie eng man Urteile des Europäischen Gerichtshofs auslegt. Zudem gilt es Dinge zu berücksichtigen wie die Vorgabe, dass ein ICSID-Schiedsgericht selbst über seine Zuständigkeit entscheidet. Auch andere internationale Vereinbarungen spielen eine Rolle.

Die BGH-Anwälte der Staaten argumentierten, es gebe keine wirksame Schiedsvereinbarung. Noch dazu könnten mögliche Schiedssprüche nicht vollstreckt werden, weil das Unionsrecht widerspreche. Dass ein deutsches Gericht vor Bildung des Schiedsgerichts die Unzulässigkeit eines solchen Verfahrens feststellen kann, sei in der Zivilprozessordnung geregelt, betonte etwa Matthias Koch, der die Bundesrepublik vertritt. „Das Werkzeug im Werkzeugkoffer liegt vor.“

Aus Sicht der Unternehmen geht es darum, dass die Schiedsverfahren Neutralität garantieren. „Die Möglichkeit, eine Streitigkeit einem unabhängigen Forum vorzulegen, ist ein hoher Wert“, sagte der BGH-Anwalt von Uniper, Gottfried Hammer. Ähnlich äußerte sich sein Kollege Thomas Winter, der für die anderen Firmen vor dem BGH sprach: „Investitionen setzen Vertrauen voraus.“ Die Anwälte der Gegenseite betonten daraufhin, auch deutsche Gerichte seien unabhängig.

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