Bankenbeben: Die Angst vor dem Dominoeffekt

von Redaktion

VON BERT FLOSSBACH

Gleich mehrere US-Banken mussten in den vergangenen Monaten gerettet werden – nicht zuletzt eine Folge der deutlichen Zinsanhebungen durch die US-Notenbank Federal Reserve. Erst die Silicon Valley Bank (SVB), dann die Signature Bank und jüngst die First Republic Bank – allesamt mittelgroße, bis vor Kurzem noch als solide geltende Institute. Zwischendrin musste in der Schweiz noch die Credit Suisse (CS) von Konkurrentin UBS „notübernommen“ werden, mit freundlicher Hilfe des Staates; wenngleich die CS nicht allein mit dem höheren Zinsniveau zu kämpfen hatte.

Nichtsdestotrotz werden Erinnerungen an die späten 2000er-Jahre wach. Und längst laufen Prognosen, wer denn wohl die nächste Bank sein könnte, die in Schwierigkeiten steckt – und die nächste.

Droht der Welt möglicherweise ein Dominoeffekt und damit die nächste große Finanz- und Bankenkrise? Wir gehen (Stand heute) nicht davon aus, was nicht heißt, dass in den kommenden Wochen und Monaten nicht weitere Banken Probleme bekommen könnten. Das ist eher wahrscheinlich. Schlussendlich werden die Notenbanken als Retter der letzten Instanz parat stehen, um das Vertrauen in das Bankensystem zu sichern; das ist ihre Botschaft in den vergangenen Monaten gewesen. Und sie klingt zunächst einmal beruhigend. Was so beruhigend klingt, ist in Wahrheit aber ein Problem. Denn je häufiger die Notenbanken Banken retten müssen, also je größer die Schäden ihrer Zinspolitik werden, umso früher werden sie nachlassen im Kampf gegen die Inflation– und ihr Kampf wäre vermutlich verloren.

Die Notenbanken stecken in einem Trilemma: Sie müssen den Geldwert stabil halten und das Bankensystem auch, dabei gleichzeitig aufpassen, die Wirtschaft nicht vollends abzuwürgen. Das eine funktioniert aber meist nur auf Kosten des anderen, ein klassischer Zielkonflikt. Die Frage ist: Wie lässt sich dieser Konflikt langfristig lösen? Die Antwort darauf: Die Banken müssten deutlich mehr Eigenkapital haben!

Zwar sind deren Eigenkapitalquoten nach der Finanzkrise von 2008 gestiegen; sie sind aber immer noch zu niedrig, um auch größere Schocks locker abzufangen.

Nehmen wir die 20 größten europäischen Institute. Deren „echte“ Eigenkapitalquote beträgt heute 5,2 Prozent ihrer Bilanzsumme. Bei den 20 größten US-Banken sind es immerhin 10,6 Prozent. Ende 2007 waren es nur 4,1, beziehungsweise 7,8 Prozent. Bemerkenswert ist, dass die Credit Suisse kurz vor ihrem Untergang mit 8,6 Prozent im europäischen Vergleich eine überdurchschnittlich hohe Eigenkapitalquote aufwies.

Offenbar zu wenig, wenn ein Institut das Vertrauen seiner Kunden, beziehunghsweise Einleger, verliert. Martin Hellwig, emeritierter Ökonom des Max-Planck-Instituts, fordert Eigenkapitalquoten von mindestens 20 Prozent. Erst ab 30 Prozent sollen Banken Dividenden und Boni ausschütten können. Dies klingt radikal und ist kurzfristig nicht realisierbar, weil dadurch die Kreditvergabemöglichkeiten der Banken stark beeinträchtigt würden. Langfristig wäre dies aber ohne eine Verknappung der Kreditvergabe möglich, wenn die Banken ihre Gewinne für einige Jahre im Unternehmen behalten würden, statt Aktien zurückzukaufen und Dividenden auszuschütten. Dann wäre das Bankensystem widerstandsfähig genug, um auch Zinsschocks oder Wirtschaftskrisen überstehen zu können, ohne dass die Notenbanken ständig als Retter parat stehen müssten.

Sie könnten sich vielmehr auf ihre oberste Aufgabe konzentrieren, den Geldwert stabil zu halten. Das Risiko eines Flächenbrands innerhalb des Bankensystems wäre deutlich niedriger – und die Kosten möglicher Rettungsaktionen für die Gesellschaft auch.

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