„Man sollte mal uns Handwerker fragen“

von Redaktion

INTERVIEW Heizungsbauer Olaf Zimmermann über die geplante Wärmewende der Regierung

München – Wärmepumpe statt Öl und Gas: Ab kommendem Jahr sollen in Deutschland in der Regel Heizungen eingebaut werden, die zu mindestens 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden. Seit Details der Heizungspläne an die Öffentlichkeit gelangt sind, ist die Aufregung groß. Nur diejenigen, die täglich im Heizungskeller stehen, fragt selten jemand, beklagt Olaf Zimmermann, Chef der Firma Heizung Obermeier in München. Zimmermann ist nicht nur leidenschaftlicher Handwerker („Es gibt nichts Schöneres als Heizungskeller“), er ist auch in der Branche bestens vernetzt: Zimmermann ist Obermeister der Innung Spengler, Sanitär- und Heizungstechnik in München sowie Vorstandsmitglied der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Außerdem ist der 62-Jährige Vorstandsmitglied im Fachverband SHK Bayern.

Herr Zimmermann, wie heizen Sie Ihre Wohnung?

Vor vier Jahren habe ich eine Ölbrennwert-Anlage bei mir eingebaut, ergänzt um eine Wärmepumpe – also eine Hybrid-Anlage.

Welche Erfahrung haben Sie gemacht?

Da ich ein Reihenhaus bewohne, fahre ich im Winter maximal 55 Grad Vorlauftemperatur für die Versorgung meiner Heizkörper. Wenn ich günstiges Öl im Tank hab’, verheize ich mehr Öl, wenn der Strom günstig ist, läuft die Wärmepumpe.

Wie ist übers Jahr gerechnet das Verhältnis?

Zu einem Drittel heize ich elektrisch, zu zwei Dritteln mit Öl.

Kommt das neue Heizungsgesetz, sollen nur noch rund ein Drittel von fossilen Energieträgern stammen. Ist diese Quote mit Hybrid-Heizungen zu machen?

Ja, das geht. Meine Hybrid-Anlage ist über vier Jahre alt, das war eines der ersten Modelle auf dem Markt. Jetzt sind die Anlagen besser: Zwei Drittel elektrisch und ein Drittel fossil sind kein Problem mehr.

Beschweren sich Ihre Nachbarn über das Geräusch der Wärmepumpe?

Nein, ich habe zusätzlich einen Pufferspeicher. Die Wärmepumpe läuft tagsüber, nachts wird die Energie aus dem Pufferspeicher genutzt.

Und wenn eine Wärmepumpe doch nachts läuft?

Ist das auch kein Problem. Vor allem die großen Geräte sind extrem leise. Wir haben vor ein paar Jahren bei einem Kunden außen am Haus eine Wärmepumpe montiert. Am nächsten Tag hat der Nachbar angerufen, er könne nicht mehr schlafen. Der Witz ist, dass die Wärmepumpe zu dem Zeitpunkt noch gar nicht angeschlossen war.

Warum gibt es diese Angst?

Oft geht es um Neid oder andere Nachbarschaftsstreitigkeiten. Leider haben Wärmepumpen den Nachteil, dass sie jeder sieht. Die Ölheizung ist innen verbaut, daher beschwert sich niemand, obwohl auch Ölbrenner Geräusche machen. Wenn ich im Winter durch ein Wohngebiet gehe, höre ich am Brummen, welches Haus mit Gas und welches mit Öl beheizt wird. Und diejenigen, die im Haus wohnen, bekommen nachts auch mit, sobald sich im Keller die Heizung einschaltet.

Brauche ich eine Fußbodenheizung, wenn ich eine Wärmepumpe einbaue?

Auch das ist ein Mythos. Aber natürlich schauen wir uns vor einem Einbau immer die Heizkörpergrößen an, denn die sollten bei einer Wärmepumpe möglichst groß sein.

Was, wenn ich nicht dämme, keine großen Heizkörper kaufe und trotzdem eine Wärmepumpe will?

Dann wird mit einer Hybrid-Anlage niemand erfrieren. Es kann sein, dass es bei über minus zehn Grad Außentemperatur nicht so warm wird, aber wer nicht in den Bergen wohnt, hat solche Tage nur selten.

Aber teurer dürfte es werden. Angenommen wir haben ein rund 30 Jahre altes Einfamilienhaus, mittelgut isoliert, jetzt steht der Heizungstausch an. Mit welchen Kosten ist zu rechnen?

Meist ist eine Hybrid-Anlage sinnvoll. Wer das Geld für die Wärmepumpe nicht hat, kann sich eine Solarthermieanlage aufs Dach legen lassen. Die Energie kommt in einen Pufferspeicher, dann müssen nur 30 Prozent fossil nachgeheizt werden. Die Ölheizung dürfte um die 20 000 Euro kosten, die Solarthermieanlage 10 000 Euro, insgesamt kommt man bei 30 000 Euro raus, je nach Einzelfall auch etwas mehr.

Und bei einer reinen Ölheizung?

Komme ich auf rund 20 000 Euro.

Es wird also massiv teurer.

Ja klar, natürlich wird es aufwendiger. Ich kann alternativ auch eine Pellet-Heizung einbauen, dann komme ich mit 20 000 bis 30 000 Euro etwas günstiger raus, brauche dafür aber Platz für ein Pelletlager.

Und die Wärmepumpe?

Kombiniert mit Öl oder Gas als Hybrid-Anlage bin ich bei circa 30 000 bis 40 000 Euro.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat neulich gesagt, Hausbesitzer müssten mit Kosten von bis zu 300 000 Euro rechnen.

Wenn ich in einem alten Fachwerkhaus mit Zweiglasfenstern und Einrohrheizungen wohne und zudem noch das Dach kaputt ist, mag das hinhauen. Söder will mit dem Extrembeispiel aber einfach ein Totschlagargument liefern. Leider wird die Debatte nicht sachlich geführt. Wenn ich abends den Fernseher einschalte, sehe ich in den Talkshows Leute über das Thema reden, die noch nie eine Zange in der Hand gehabt haben – anstatt einfach mal uns Handwerker zu fragen. Und weil alle so verunsichert sind, erleben wir gerade einen Ansturm auf Öl- und Gasheizungen, was ökologischer Irrsinn ist.

Sagen Sie das Ihren Kunden?

Ja, logisch sage ich ihnen das – die wollen trotzdem schnell noch eine neue Ölheizung.

Manche können sich die Mehrkosten für eine Wärmepumpe womöglich einfach nicht leisten.

Das verstehe ich auch. Deswegen ist es wichtig, dass das geplante Gesetz Ausnahmen und Härtefallregeln vorsieht. Und eines darf man nicht vergessen: Die meisten Menschen können sich die neue Heizung locker leisten. Ich sehe jeden Tag bei meinen Kunden, welche Autos vor der Garage parken. Das sind teure SUVs, die nach fünf Jahren wieder ausgetauscht werden. Bei ganz vielen Leuten ist das Geld da – aber an der Heizung wird gespart.

Sie klingen fast so, als würden Sie den Gesetzentwurf von Robert Habeck für ganz vernünftig halten.

Ja, das ist er auch. Wir haben das ganze Wissen über den Klimawandel, wir wissen, dass alles immer schlimmer wird. Daher bleibt uns nichts anderes übrig, als gegenzusteuern. Bei dem Starkregen 2021, der auch das Ahrtal überflutete, sind über 180 Menschen gestorben. Und die Flut hat extrem viel Geld gekostet. Verglichen damit ist CO2-neutrale Technik im Heizungskeller günstig. Dass jetzt so gegen die Regierung geschossen wird, finde ich schlimm.

Sprechen Sie da für die ganze Branche?

Natürlich gibt es bei uns in der Branche eine Diskussion über das geplante Gesetz. Aber für die Innung München kann ich ganz klar sagen: Hier hat kein einziger Handwerker Angst vor der Wärmepumpe, wir sind vorbereitet. Aber ich gebe zu, dass meine Branche manchmal etwas rückwärtsgewandt ist und Veränderungen nicht wahrhaben will.

Was beobachten Sie?

Der Koalitionsvertrag ist über zwei Jahre alt. Dort steht, dass zum 1. Januar 2025 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent Erneuerbarer Energien betrieben werden soll. Jetzt will man den Zeitpunkt wegen des Ukraine-Krieges auf 2024 vorziehen. Trotzdem haben viele Betriebe verdrängt, dass etwas auf sie zukommt. Fairerweise muss man sagen: Ich verstehe ältere Kollegen, die sich schwer damit tun, noch einmal etwas Neues zu lernen, nachdem sie 30 Jahre lang Öl- und Gasheizungen eingebaut haben.

Handwerker gelten daher auch nicht immer als die besten Berater. Sie verkaufen gerne die Produkte, die sie seit Jahren kennen.

Daher rate ich jedem: Geh’ zum Energieberater. Als Handwerker, der seine Produkte verkaufen will, bin ich befangen. Der Energieberater ist neutral und kennt sich auch bestens mit den Förderungen aus.

Der Energieberater kostet aber auch mehrere hundert Euro.

Das ist gut angelegtes Geld. Nach der Beratung habe ich eine Bestandsaufnahme von meinem Gebäude und weiß, was im nächsten Schritt zu tun ist und welche Heizung für mich die beste Lösung ist.

Warum gehen viele das Thema trotzdem nicht an?

Ein Problem sind die Kaminkehrer. Die kommen jedes Jahr ins Haus und sagen: „Die Werte passen.“ Wir haben erst vor ein paar Wochen einen Gaskessel gewechselt, weil der Kunde aus Angst vor dem neuen Gesetz noch schnell eine neue Gasheizung kaufen wollte. Der Kaminkehrer hatte ihm über Jahre versichert, die Anlage sei in Ordnung.

Und was war Ihr Befund?

Wir haben festgestellt, dass der Boiler an acht Stellen undicht war. Ich hab’ noch nie einen Boiler gesehen, der so verrostet und verkalkt war. Und vor ein paar Wochen war ich bei einem Kunden, der hatte einen Wechselbrandkessel aus dem Jahr 1972.

Was in aller Welt ist ein Wechselbrandkessel?

Als das Öl in den 70er-Jahren teuer war, waren Wechselbrandkessel beliebt, weil sie neben Öl auch Koks verfeuern konnten. Das waren aber weder g’scheite Kokskessel noch g’scheite Ölkessel – Abgastemperaturen von 220 Grad, Vorlauftemperaturen von 80 Grad. Und der Kaminkehrer sagt Jahr für Jahr: „Die Werte sind in Ordnung.“ Dabei müssen solche Anlagen raus. Und das ist leider kein Einzelfall, sondern hat Methode – denn die Kaminkehrer kehren lieber, als dass sie eine Öl- oder Gasbrennwertanlage überprüfen. Und diese Zunft soll nach dem Willen der Regierung zukünftig unsere neuen Wärmepumpenanlagen überprüfen.

Gibt es auch etwas, was Ihnen Hoffnung macht?

Wir haben ein Wirtschaftswunder geschafft, und wenn jetzt nicht alles zerredet wird, werden wir auch die Wärmewende schaffen. Ich habe inzwischen ein Enkelkind, und ich möchte, dass die nächste Generation über meine Generation einmal sagen wird: Die wussten über den Klimawandel Bescheid, und sie haben etwas dagegen unternommen.

Interview: Sebastian Hölzle, Andreas Höß

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