München – Preisrückgänge im zweistelligen Prozentbereich – und das innerhalb eines Jahres: Das geht aus einer gestern veröffentlichten Auswertung des Online-Portals Immowelt hervor. „Im Süden Deutschlands wird Wohneigentum wieder erschwinglicher“, teilte Immowelt mit. Insgesamt seien die Kaufpreise von Eigentumswohnungen im Juni in 106 von 117 untersuchten Kreisen in Bayern und Baden-Württemberg innerhalb der vergangenen zwölf Monate gesunken.
In fünf Landkreisen im Münchner Umland lag der Preisrückgang sogar bei über zehn Prozent (siehe Tabelle). Der mit 13,3 Prozent höchste Preisrückgang in der Region war im Landkreis Fürstenfeldbruck zu beobachten, gefolgt von der Stadt Augsburg sowie den Landkreisen Erding, Dachau und Miesbach. In München verbilligten sich Wohnungen um 9,8 Prozent.
Nach einer jahrelangen Nullzinsphase hatte die Europäische Zentralbank (EZB) im Juli vergangenen Jahres eine Zinswende eingeleitet und die Leitzinsen im Euroraum seitdem in mehreren Zinsschritten auf inzwischen 3,75 Prozent erhöht. In der Folge verteuerten sich bei Banken Immobilienfinanzierungen.
Seitdem häufen sich Meldungen über sinkende Immobilienpreise. Die Vielzahl an Veröffentlichungen ist verwirrend: Mal geht es um Preise in einem Quartal, mal geht es um die Preise im Jahresdurchschnitt, mal um Häuser, mal um Wohnungen, mal um beides – und jedes Mal ist die Datenbasis eine andere: Das Statistische Bundesamt berechnet seinen Häuserpreisindex auf Grundlage von Transaktionsdaten der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte. Demnach sind Notare in Deutschland dazu verpflichtet, die Kaufverträge über den Erwerb oder den Verkauf einer Immobilie an den lokal zuständigen Gutachterausschuss zu übermitteln.
Problem für die Statistiker: Mal wird ein unsanierter Altbau verkauft, mal ein Neubau, zudem unterscheiden sich die Häuser in anderen Aspekten, etwa in der Größe. Die Experten wenden daher Methoden an, um die Preise vergleichbar zu machen. Nachteil der amtlichen Daten: Sie können Marktentwicklungen nur nachzeichnen.
Näher am aktuellen Marktgeschehen sind Auswertungen, wie die gestern veröffentlichte von Immowelt – auch wenn es hier nur um Eigentumswohnungen geht. Immowelt wertet Verkaufs-Inserate auf seinen eigenen Portalen aus. Der Haken: „Diese Angebotspreise sind oft nicht das, was beim Notar aufgerufen wird“, sagt der Münchner Immobilien-Experte Stephan Kippes. Kippes ist Immobilienforscher für den Maklerverband IVD Süd und führt für den Verband selbst regelmäßig Untersuchungen durch – auf Basis von Verkaufsdaten. Seine jüngsten Daten zeigen aber: „Wir haben in München innerhalb von sechs Monaten Preisrückgänge zwischen fünf und zehn Prozent beobachtet – hier geht es um echte Abschlusspreise. Insoweit kommen die Zahlen von Immowelt tendenziell hin.“ Dass Immowelt für den Landkreis Freising und das Berchtesgadener Land steigende Wohnungspreise ermittelt hat, kann Kippes nicht nachvollziehen. „Unsere Zahlen zeigen in allen untersuchten Kreisstädten im Münchner Umland nach unten“, sagt Kippes. „In Freising fällt das Minus zum Teil ein bisschen moderater aus als in manch anderer Kreisstadt.“ An steigende Preise glaube er im Moment überhaupt nicht.
Dass Häuser und Wohnungen jetzt wieder erschwinglicher werden, bezweifelt er. „Die Finanzierungskosten haben sich innerhalb eines Jahres fast vervierfacht“, sagt Kippes. „Anfang 2022 ließ sich eine Immobilie noch mit 0,8 Prozent finanzieren, jetzt sind wir bei 3,5 bis vier Prozent. Das ist eine dramatische Trendwende.“ Wer in München eine Immobilie für eine halbe Million kaufe und 350 000 Euro fremdfinanziere, habe eine monatliche Mehrbelastung von über 1000 Euro. „Das heißt: Trotz der gesunkenen Immobilienpreise zahle ich unterm Strich deutlich mehr.“ Der Rückgang der Immobilienpreise kompensiere die höheren Finanzierungskosten nur zu einem kleinen Teil.
Die Postbank lässt in einer ihrer Auswertungen sogar den Schluss zu: Angesichts hoher Finanzierungskosten ist es für Durchschnittsverdiener noch schwieriger geworden, den Kauf einer Immobilie zu stemmen – selbst für Spitzenverdiener wird es eng. Eine der besonders stark betroffenen Regionen in Deutschland: München und Oberbayern.