München – Starkregen, Tornados, Hagel, Überflutungen: Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat davor gewarnt, dass Hausbesitzer auf die zunehmenden Naturgefahren angesichts des Klimawandels nicht vorbereitet sind. „Wir stehen da, wo wir bei der Feuerversicherung vor 150 Jahren standen“, sagte Mathias Kleuker, Vorsitzender des GDV-Präsidialausschusses Risikoschutz gestern in Berlin. Was er damit meint: Im 19. Jahrhundert waren Großbrände keine Seltenheit, erst strenge Brandschutzregeln haben das Risiko von Großbränden minimiert. Gleiches müsse jetzt auch bei Naturgefahren geschehen, sagte Kleuker.
Bleiben diese Investitionen aus, wird es nach Einschätzung der Versicherer für Hauseigentümer teuer: „Wenn wir Prävention und Klimafolgenanpassung nicht konsequent umsetzen, könnte es in Deutschland nach unseren Schätzungen allein infolge der Klimaschäden innerhalb der nächsten zehn Jahre zu einer Verdopplung der Prämien für Wohngebäudeversicherungen kommen“, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Betroffen wären laut Asmussen nicht nur Hausbesitzer, sondern über die Miete auch alle Mieter. „Mancherorts könnten Gebäudeversicherungen gar so teuer werden, dass sich das Kunden nicht mehr leisten können.“
Der GDV hat eine konkrete Vorstellung davon, wie die Prävention aussehen soll. „Wir müssen endlich klimaangepasst planen, bauen und sanieren“, sagte Kleuker. Die Prävention sollte fester Bestandteil der Landesbauordnungen werden. In manchen Gebieten sollten Gebäude nur noch ohne Keller und auf einem Sockel gebaut werden, Abwasserleitungen sollten mit Rückstausicherungen ausgestattet werden, an Garageneinfahrten sollen Schwellen vor Wasser schützen und es brauche druckdichte Fenster sowie „resiliente“ Baumaterialien.
Die zweite Forderung der Versicherer: „Wir brauchen einen Baustopp in Überschwemmungsgebieten“, sagte Kleuker. In Risikogebieten werde nach wie vor zu viel gebaut. Als Beispiel nannte Kleuker das Ahrtal. Mitte Juli 2021 hatten starke Regenfälle katastrophale Überschwemmungen an Flüssen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ausgelöst. Viele Gemeinden, insbesondere im Ahrtal, wurden verwüstet, mehr als 180 Menschen starben. „Aber wider besseren Wissens dürfen bis auf 34 Häuser die Gebäude am alten Standort wieder aufgebaut werden“, kritisierte Kleuker. Und deutschlandweit entstünden jedes Jahr 1500 neue Gebäude in hochwassergefährdeten Gebieten. Gemeinden sollte stattdessen aber verboten werden, Neubaugebiete in solchen Gebieten auszuweisen, betonte Kleuker.
Dritte Forderung des GDV: Die Flächenversiegelung stoppen. „Wenn ich erkenne, dass sich die Dinge zuspitzen, dass der Klimawandel eine Dynamik entfaltet, dann muss ich handeln“, sagte Kleuker. „Und der Zeitpunkt ist jetzt.“
Die Versicherer argumentieren, dass nur durch Vorsorgemaßnahmen viele Wohngebäude überhaupt versicherbar bleiben. „Ohne Prävention könnte das breite Versicherungsangebot, wie wir es heute kennen, in Zukunft schrumpfen“, sagte Kleuker. Angesichts erwarteter Großschäden als Folge des Klimawandels sieht die Branche dennoch Grenzen: „Es kann Katastrophen geben, die die Versicherungswirtschaft nicht mehr alleine stemmen kann“, sagte Kleuker und nannte eine konkrete Zahl: Demnach ist bei 30 Milliarden Euro Schluss. Übersteigen die Kosten einer Naturkatastrophe diese Grenze, müsse der Staat ran. Um ein Gefühl für diese Zahl zu bekommen: Die Flut an der Ahr war mit 8,5 Milliarden Euro die teuerste Katastrophe in Deutschland für Versicherer. „Wir können ein Mehrfaches des Ahrtals versichern“, beteurte GDV-Chef Asmussen.
Dass die Versicherer ausgerechnet gestern einen Vorschlag zur Zukunft der Gebäudeversicherung veröffentlicht haben, ist kein Zufall. Heute tagt in Berlin im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder. Dort soll auch über eine Pflichtversicherung für Hausbesitzer zum Schutz vor Elementarschäden gesprochen werden. Die Botschaft des GDV ist klar: „Eine singuläre Pflichtversicherung wird das Problem allein nicht lösen, weil sie keinen einzigen Schaden verhindert“, sagte Asmussen.