Volle Fahrrad-Lager, hohe Rabatte möglich

von Redaktion

VON ALEXANDER STURM

Frankfurt – Volle Lager statt endlosem Kundenandrang, Rabatte statt Preiserhöhungen: Nach dem Corona-Boom findet sich die Fahrradbranche auf dem Boden der Realität wieder. Wenn sich Händler und Hersteller ab heute bei der Branchenmesse Eurobike in Frankfurt treffen, haben viele zwar ein schönes Geldpolster im Rücken, doch die Lage ist durchwachsen.

„Der Corona-Boom, in dem die Leute kaufen, was sie kriegen können, ist vorbei“, sagt Burkhard Stork, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV). Zudem belastet die hohe Inflation die Verbraucher. Das Segment der einfachen klassischen Räder bis etwa 700 Euro habe es schwer, sagt Stork. „Die Lager sind voll, und erste Hersteller spüren das beim Umsatz und bei den Aufträgen.“

Noch in der Pandemie hatte die Fahrradbranche goldene Zeiten erlebt. Damals konnte sie sich vor Kunden kaum retten. Doch die Produktion kam nicht hinterher. Manche bekamen ihr Modell erst, als die sommerliche Radsaison fast vorbei war und das zu deutlich höheren Preisen. Im Corona-Jahr 2020 erzielte die Branche einen Absatzrekord, der Umsatz stieg um rund ein Drittel.

Also bestellten Händler noch mehr Ware. 2022 stieg die Produktion laut ZIV auf den Höchstwert von 2,6 Millionen Rädern. Doch ab Herbst drehte sich der Markt. Hersteller lieferten plötzlich große Mengen. „Teilweise kamen Lieferungen für 2022 und 2023 auf einmal“, sagt Stork. Das Ergebnis sind Bestände und Vorbestellungen bei den Händlern, die weit über dem Bedarf für dieses Jahr liegen. Mit Nachlässen sollen die Räder nun aus den Lagern. Pech für die Branche: Der nasse Frühling bremste die Geschäfte aus.

„10 bis 15 Prozent Rabatt sind möglich“, sagte ZIV-Geschäftsführer Stork deshalb. Auch Zahlen des Vergleichsportals Idealo zeigen deutliche Nachlässe. Demnach sind im Mai die Durchschnittspreise für Mountainbikes im Onlinehandel um 16 Prozent zum Vorjahresmonat gesunken. Rennräder verbilligten sich um sieben Prozent, während E-Bikes gegen den Trend um 15 Prozent teurer wurden. Die Rabatte helfen zwar den Händlern beim Umsatz, belasten aber die Margen. Beim Versandhändler Bike24 etwa standen zuletzt rote Zahlen. „Wir stehen vor einer starken Konsolidierung und Professionalisierung im Fahrradmarkt“, glaubt Robert Peschke, Geschäftsführer von Little John Bikes mit Sitz in Dresden. Um an Geld zu kommen, würden viele „panisch“ die Preise senken. „Selbst für aktuelle Fahrradmodelle gibt es zum Teil ruinöse 20 Prozent Rabatt und mehr“, sagt Peschke. „Zahlreiche Fahrradhändler wird dieser Preiskampf am Ende die Existenz kosten.“

Einmal mehr ruhen die Hoffnungen der Branche auf E-Bikes, die 2023 erstmals traditionelle Räder bei den Verkaufszahlen überholen dürften, schätzt der ZIV. Schon 2022 wurde mit 2,2 Millionen E-Bikes ein Absatzrekord erreicht, während der Verkauf herkömmlicher Bikes um 300 000 auf 2,4 Millionen fiel. Längst hat sich die Fahrradindustrie auf die Produktion lukrativer E-Bikes eingestellt. Dank des hohen E-Bike-Anteils hat sich ihr Umsatz binnen zehn Jahren auf 7,4 Milliarden Euro fast vervierfacht.

„Der Boom bei hochwertigen E-Bikes hält an, wir sehen keine Marktsättigung“, sagt Stork. Der Trend zum E-Bike gehe „quer durch alle Kategorien“. Sportliche Räder wie Gravel- und Mountainbikes mit Motor seien gefragt, Lastenräder ohnehin. Bei Mountainbikes etwa seien bereits 90 Prozent der verkauften Räder elektrifiziert. Der Trend zu hochwertigen und damit auch teureren Rädern werde von Diensträdern angetrieben. „Bei den Monatsraten merkt man kaum, ob ein Fahrrad 3000 oder 4000 Euro kostet“, meint Stork.

Die Gefahr einer bevorstehenden Branchenkrise mit Jobabbau sieht er nicht. Manche Hersteller hätten zwar derzeit mehr Personal als nötig, wollten das aber wegen des Fachkräftemangels halten. „Wir sehen, dass der Verkauf im Handel wieder anzieht, und gehen davon aus, dass sich die Lage auch für die Produzenten bald bessert.“

Unterstützung wünscht sich der ZIV von der Politik: „Wir haben 75 Jahre lang Politik für das Auto gemacht, nun müssen wir das Radfahren zumindest gleichstellen.“ Es gelte, Dinge auszuprobieren, die in Ländern wie den Niederlanden längst Standard seien: große Parkhäuser für Fahrräder und ein Netz breiter, gut ausgebauter Radwege. „Wir brauchen Mut zum Umdenken der Städte.“

Artikel 2 von 3