Strom und Gas erstmals wieder teurer

von Redaktion

VON MATTHIAS SCHNEIDER

München – Deutschland hat Russlands Gaslieferungen weitgehend durch Flüssiggas ersetzt können – die Unsicherheiten in diesem neuen Markt sind aber noch groß. Der 15. Juni hat gezeigt: Die Krise ist noch nicht vorbei.

Gas und Strom

Der europäische Gasmarkt wurde von der Realität eingeholt. Noch Anfang Juni wurde die Megawattstunde für unter 25 Euro gehandelt, ruinös günstig, weil Flüssiggas sich Experten zufolge nicht unter 30 bis 40 Euro nach Europa schiffen lässt. Zwischenzeitlich ist viel passiert: Donnerstag – den 15. Juni – wurden die Preise um 25 Prozent auf fast 50 Euro katapultiert, inzwischen haben sie sich wieder bei 32 Euro eingependelt.

Das Analyseteam der DZ Bank sieht in dem plötzlichen Ausschlag mehrere Gründe: Ein Teil der norwegischen Gasförderkapazitäten lief nicht, und die schwache Windleistung erhöhte den Bedarf an Gaskraftwerken. Zudem gab es bereits vergangene Woche Gerüchte über ein Ende der Gasförderung in Groningen in den Niederlanden. Das ließ die Preise steigen. Am Freitag wurde das Aus der Gasförderung besiegelt (siehe Artikel unten). Die DZ Bank geht davon aus, dass das wegfallende Gas jetzt über LNG ersetzt werden muss – was die Preise weiter treiben dürfte.

Experten erwarten vor 2024 keine nennenswerte Ausweitung des globalen LNG-Angebots – die Preise hängen also ganz an den Nachfragern. Zu nennen sind hier vor allem die europäischen Gaskraftwerke, China mit seiner noch schwächelnden Konjunktur und – nach wie vor – der Ukraine-Krieg. Zwar bezieht Deutschland kein russisches Gas mehr, Österreich und Teile Osteuropas aber sehr wohl. Sollte Putin auch diese Lieferungen einstellen, würde Deutschland das spüren.

Die Unsicherheit schlägt sich am Markt nieder: Gas für das ganze Jahr 2024 kostet mit 52 Euro fast so viel, wie im Dezember. Längere Preistiefs dürften durch die stabile Nachfrage in Ostasien verhindert werden, wo dieses Jahr nie weniger als 30, gerade sogar über 40 Euro bezahlt werden (siehe Grafiken). Auch der Strompreis hängt eng an diesen Entwicklungen, weil die Gaskraftwerke durch die gestiegenen Preise wieder Preissetzer am Markt sind.

Tipp für Verbraucher

Erstmals in diesem Jahr sind Tarife für Strom und Gas wieder teurer geworden. Das Tief lag im Bundesdurchschnitt bei 8,7 Cent brutto die Kilowattstunde, jetzt sind es 9,1, so die Daten des Vergleichsportals Verivox. Strom ist demnach für 28,3 Cent erhältlich. Günstigere Preise sind regional möglich. Damit die Preise auf breiter Front fallen, müsste die Gasnachfrage der europäischen Stromerzeuger – durch viel Wind und Sonne – oder der Bedarf der chinesischen Wirtschaft noch mal deutlich sinken. Ein solches Tief dürfte aber nur wenige Wochen dauern, weil die Gasexporteure ihre Preise in Ostasien optimieren können.

Sollten aber Russland oder die Niederlande weniger Gas liefern, Chinas Wirtschaft mehr nachfragen oder Europas Stromerzeuger aufgrund von Dürre oder einem erneuten Ausfall der französischen AKWs mehr Gas verbrauchen, könnten die Preise empfindlich steigen.

Wer Wert auf Sicherheit legt, hat gerade die Chance, einen Vertrag über ein oder zwei Jahre zu annehmbaren Preisen abzuschließen.

Öl

Der Ölmarkt kommt nicht vom Fleck: Trotz Förderkürzungen einiger Opec+-Staaten kreist der Preis für ein Barrel seit Anfang Mai um die Marke von 75 Euro. Anfang des Jahres hatten Analysten noch deutliche Preissteigerungen erwartet, vor allem durch die steigende chinesische Nachfrage. Die ist laut Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch zwar immens gewachsen – doch Russland und der Iran fluten den Markt gerade mit Öl unter Marktpreis, weil sie trotz Sanktionen Einnahmen brauchen

Zwar sei die globale Nachfrage bereits auf Rekordhoch, wachse jedoch moderat weiter. In Verbindung mit den Förderkürzungen der restlichen Opec+-Länder erwartet Fritsch deshalb eine deutliche Unterversorgung und höhere Preise im laufenden zweiten Halbjahr.

Die DZ Bank rechnet ebenfalls mit moderat steigenden Preisen, glaubt aber nicht, dass sie in den kommenden sechs Monaten über 85 Dollar pro Barrel kommen. Wegen positiver Wachstumsprognosen für das Frühjahr 2024 rechnen die Analysten aber mit einem Sprung auf bis zu 95 Dollar binnen Jahresfrist. Verbraucher in München können günstiges Heizöl gerade für 89 Cent brutto den Liter kaufen, nah am Jahrestief.

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