München – Die Urteile fielen am 172. Verhandlungstag. Es waren die erwarteten Schuldsprüche, die Richter Stefan Weickert am Landgericht München im Strafprozess um den Diesel-Abgasbetrug im VW-Konzern fällte. Den früheren Audi-Chef Rupert Stadler verurteilte er wegen Betrug durch Unterlassung zu einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. Dazu kommt eine Bewährungsauflage von 1,1 Millionen Euro.
Zwei Jahre ebenfalls auf Bewährung nebst 400 000 Euro Geldauflage wurden gegen Wolfgang Hatz als einstigem Chef der Audi-Motorenentwicklung verhängt. Ingenieur Giovanni P. als dritter Angeklagter im Bunde kam mit 21 Monaten Bewährung und 50 000 Euro Geldauflage davon. Das ist das Ergebnis eines fast drei Jahre dauernden Mammutprozesses, in dessen Verlauf mehr als 190 Zeugen und vier Sachverständige gehört sowie über 1400 Dokumente gesichtet wurden. Gesprochen ist damit auch das erste strafrechtliche Urteil im VW-Dieselskandal vor einem deutschen Gericht. Rechtskräftig ist es noch nicht. Zumindest im Fall von Stadler und P. dürfte das aber nach Ablauf einer einwöchigen Einspruchsfrist soweit sein.
Dem Richterspruch war eine jüngste Verständigung mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung vorangegangen. Die Wahl zwischen Geständnis oder Gefängnis hatte der Richter den bis dahin jede Schuld leugnenden Stadler und Hatz angeboten. Beide gestanden ohne erkennbare Reue oder persönliche Worte. Ihre Schuldeingeständnisse wurden von Anwälten verlesen. Im Rahmen der getroffenen Verständigung blieben jetzt die Urteile. „Sehr zufrieden“ sei die Staatsanwaltschaft mit dem Urteil für Stadler, erklärte eine Sprecherin. Das kann fraglos auch Stadler sein. Wenn das Urteil in einer Woche rechtskräftig wird, gilt der 60-jährige aber als vorbestraft.
Bei Hatz sieht es anders aus. „Wir prüfen das Urteil und entscheiden dann über eine Revision“, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Die hatte für den 64-jährigen wegen der Schwere seiner Schuld drei Jahre und zwei Monate Haft gefordert, was auf Bewährung rechtlich nicht möglich ist. Im Falle einer Revision droht Hatz damit immer noch Gefängnis.
Die vom verurteilten Trio verursachten Schäden sind immens. Im Falle von Hatz und P. bezifferte sie Richter Weickert auf gut 2,3 Milliarden Euro. Beide hätten maßgeblich daran mitgewirkt, dass in fast 95 000 Dieselautos eine Abschaltvorrichtung für die Abgasreduzierung verbaut wurde. „Herr Hatz hat erkannt, dass das gesetzlich unzulässig sein könnte, in der Hoffnung nicht entdeckt zu werden“, betonte Weickert. Die Tragweite des Tuns sei ihm bewusst gewesen. In einem anders gelagerten Tatvorwurf habe Stadler sich des Betrugs durch Unterlassung schuldig gemacht und einen Schaden von gut 41 Millionen Euro mitverursacht, erklärte Weickert. Denn bis 2018 habe der damalige Audi-Chef über 17 000 Diesel-Audis in Deutschland verkaufen lassen, obwohl er zahlreiche Hinweise darauf hatte, dass darin eine illegale Betrugssoftware verbaut war.
Stadler sei zwar immer wieder von Untergebenen belogen worden, hätte es aber spätestens ab Mitte Juli 2016 einen Verkaufsstopp verordnen müssen, sagte Weickert. „Er hatte einen verlässlichen Überblick mit konkreten Anhaltspunkten über Gesetzesverstöße.“ Stadler habe erkannt, dass Dieselautos verbotene Software enthielten, dennoch nicht einmal Händler oder Käufer darüber informiert und dabei vorsätzlich gehandelt, um den Absatz sicherzustellen.
Rund 30 Milliarden Euro hat der Skandal VW gekostet. Ihren Beitrag dazu haben Stadler und Hatz erst auf der Zielgeraden des Prozesses gestanden und zuvor jahrelang gelogen. Daran gemessen darf man ihr Urteil als milde einstufen.