Wenn der Roboter einspringt

von Redaktion

VON ANDREAS HÖSS

München – Als die Croissants fertig sind, fährt der mannshohe Roboter auf einer Schiene zum Ofen und führt seinen blauen Greifarm in dessen heißen Innenraum. Vorsichtig nimmt er die Backwaren, dreht sich um und legt sie für die Kunden in die Auslage. Dann sieht er, dass die Semmeln langsam ausgehen. Er holt Teiglinge aus der Kühlung und schiebt sie in den Ofen. Das klingt futuristisch, dürfte aber bald Realität werden: Ein deutscher Discounter will seine Filialen zeitnah mit den Backrobotern des japanischen Herstellers Fanuc ausstatten und auch bei Mittelständlern soll es enormes Interesse an ihm geben.

Der Einzug der Roboter in die Fabrikhallen schürte lange Ängste vor Massenentlassungen. „Roboter galten als Jobkiller“, sagt Messechef Reinhard Pfeiffer auf der in München laufenden Robotikmesse Automatica. Heute sei es aber andersherum, so Pfeiffer. Egal ob Bäcker, Schreiner, Wäscherei, Landwirtschaft oder Maschinenbau: Es werde immer schwerer, Arbeitskräfte zu finden, weshalb bereits Firmen schließen müssen. „Hier kann der Roboter einspringen und Betriebe und damit Jobs retten“, erklärt Pfeiffer.

Auch bei Fanuc, dem Hersteller des Backroboters, ist man überzeugt, dass auf die Automatisierung in der Industrie nun die nächste Welle bei kleineren Firmen folgt. Am Messestand des Konzerns stapelt ein Roboter Käse, ein anderer sortiert Pakete, ein weiterer, der in Zusammenarbeit mit dem Münchner Start-up Sewts entwickelt wurde, legt T-Shirts zurecht. Er arbeitet bereits in einer Wäscherei in Aschheim im Landkreis München, die Hemden, Bettlaken oder Handtücher für Pflegeheime oder Hotels reinigt. Aber auch für Textilunternehmen oder Einzelhändler, die Retouren oft wegwerfen, weil sich keiner um sie kümmern kann oder sich ihre Bearbeitung nicht lohnt, ist der Roboter interessant.

Je nachdem, welche Arbeit der Roboter tun soll, stehen allein bei Fanuc mittlerweile 100 Modelle zur Auswahl. Dazu kommen unterschiedliche Greifarme, Kameras und Sensoren. „Als wir den Backroboter vorstellten, kamen viele Anfragen aus anderen Bereichen, ob man für sie etwas ähnliches machen könne“, berichtet Ralf Winkelmann, Deutschland-Chef von Fanuc. „Für Landwirte haben wir einen Roboter entwickelt, der Kartoffelsäcke stapelt.“ Selbst der Einsatz in Skihütten, wo massenhaft Teller gespült und Flaschen in Kästen gehoben werden müssen, sei denkbar. Neben dem Preis sei für kleine Firmen vor allem eine einfache Bedienung wichtig, weiß Winkelmann. Die Fanuc-Roboter kann man mit einem normalen Tablet steuern.

Auch beim Augsburger Konkurrenten Kuka, dessen riesige Industrieroboter in vielen Autofabriken stehen, zielt man immer mehr auf kleinere Firmen. Am Messestand fischt sich zum Beispiel ein Roboterarm Metallteile aus einer Kiste und hebt sie in eine Maschine, wo sie verschweißt werden. „Das ist eine einfache Tätigkeit, die bei den meisten Mittelständlern im Maschinenbau bisher von einem Menschen ausgeführt werden muss, dessen Arbeitskraft dann woanders fehlt“, erklärt Kuka-Mitarbeiter Johannes Landherr. Die Augsburger haben zudem bereits Handwerker wie die Schreinerei Eigenstetter als Kunden, die mit ihren rund 20 Mitarbeitern etwa Treppengeländer baut. Je nach Applikation und Werkzeug am Roboter sei fast jede Tätigkeit automatisierbar, sagt Landherr, egal ob Fräsen, Schweißen, Bohren oder Schneiden.

Dass ein Roboter einem auch Bier servieren kann, sieht man im Service-Bereich der Messe: Zwischen den Tischen flitzen verschiedene Modelle, die Essen und Getränke zu den Gästen fahren. Während das in Asien längst üblich ist, tut sich Europa mit den kühlen Kellnern noch schwer. Das einzige europäische Produkt ist deshalb Plato, in Deutschland entwickelt von United Robotics und gefertigt in Frankreich.

Plato hat ein nettes Gesicht, nimmt Befehle über Tablet oder Sprachsteuerung entgegen und trägt heute Schürze. „Das sind Aufkleber, die kann man individuell anpassen“, sagt Matthias Bauer von United Robotics. Plato kann Essen und Getränke aus der Küche und dreckiges Geschirr dorthin zurückbringen. So spart er viele Wege ein, das Gastropersonal, das Mangelware sei, könne sich stärker auf Bestellungen und Kassieren konzentrieren. „Das entlastet die Mitarbeiter enorm“, glaubt Bauer. Doch was ist mit den Berührungsängsten der Gäste? „Sie sind meistens zunächst verblüfft, wenn sie Plato sehen“, erzählt Bauer. „Doch dann finden sie den Roboter-Kellner lustig und machen Fotos oder Selfies mit ihm.“

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