„Die Rente mit 63 gehört abgeschafft“

von Redaktion

INTERVIEW Familienunternehmer Prinz Luitpold über Fachkräftemangel und Energiekrise

Die Zinsen sind hoch, die Energiekrise ist nicht vorbei und Fachkräfte sind knapp. Alles Themen, die die Bayerns Familienunternehmer auf ihrem gestrigen Jahreskongress diskutiert haben. Der Landesvorsitzende Prinz Luitpold von Bayern erklärt im Interview, was der Wirtschaft auf dem Herzen liegt – und was sie sich von der Landtagswahl im Herbst erhofft.

Prinz Luitpold, im Herbst sind Wahlen in Bayern. Was sind Ihre Kernforderungen an Bayerns nächste Regierung?

Familienunternehmen sind das Erfolgsmodell unseres Landes. Sie stellen 70 Prozent der Arbeits- und 80 Prozent der Ausbildungsplätze. Ich finde es deshalb gut, dass Bayern gegen die Erbschaftssteuer klagt. Substanzsteuern sind für den Mittelstand gefährlich: Ihr Geld ist ja nicht flüssig, sondern steckt in Gebäuden und Maschinen. Wenn sie die Erbschaftssteuern nicht bezahlen können, müssen sie Anteile verkaufen. Das senkt ihre Eigenkapitalquote und sie bekommen schwerer Kredite. Ich sehe hier eine kritische Entwicklung in unserem Land. Soziale Marktwirtschaft heißt: Eigentum verpflichtet und nicht Eigentum muss weggenommen werden. Das wäre dann ja eine sozialistische Marktwirtschaft.

Was fordern Sie noch?

Das Fach Wirtschaft sollte in den Schulen eine viel größere Rolle spielen. Das Berufsbild Unternehmer gibt es dort nicht, obwohl tausende Betriebe bald Nachfolger brauchen. Gleichzeitig müssen wir das duale System viel mehr propagieren. Es gibt viele Architekten, aber kaum Bauingenieure – geschweige denn Handwerker. Dabei sind diese Berufe zukunftsträchtig und oft verdient man gut. Gleichzeitig muss man auch über den Teich schauen: In den USA bekommt man leichter Ausbildungskredite. Das würde auch bei uns die Chancengleichheit erhöhen, weil dann jeder einen einträglichen Beruf lernen kann.

Der Fachkräftemangel ist für viele Firmen ein Problem. Was hilft dagegen?

Wir müssen so schnell wie möglich die Rente mit 63 abschaffen. Die Menschen werden statistisch jedes Jahr einen Monat älter. Wenn jeder ein Jahr länger arbeitet, ist das ein Riesenhebel. Es muss steuerliche Anreize geben, dass es sich lohnt, weiterzuarbeiten. Der Mensch zahlt dann weiter in die Sozialkassen ein, unterm Strich gewinnt die Volkswirtschaft dabei. Man muss aber sehen, dass man Menschen mit körperlich anstrengenden Jobs, die nicht länger können, nicht mit Rentenabschlägen bestraft.

Könnte Einwanderung den Engpass beseitigen?

Das sehe ich kritisch. Wir können nicht jedes Jahr viele Millionen Euro in Entwicklungshilfe investieren und den Ländern dann die Eliten abwerben, das ist unmoralisch. Außerdem dürfte das mit hohen Steuern und ohne Wohnraum schwer funktionieren. Wir müssen mit Künstlicher Intelligenz und anderen Technologien versuchen, mit weniger Arbeitskräften auszukommen. Wir sind eines der am dichtesten bevölkerten Länder Europas. Wenn die Bevölkerung sich etwas reduziert, würde das nicht schaden. Im Übrigen wäre es wichtiger, Deutschland so attraktiv zu machen, dass die hier ausgebildeten Wissenschaftler und Fachkräfte in Deutschland bleiben und nicht in andere Länder mit dem hier erworbenen Know-how zur Unternehmensgründung abwandern, weil unsere Bürokratie und unsere Steuern sie abschrecken. Wenn schon die eigenen Leute abwandern, wie soll man aus dem Ausland Spitzenleute anwerben?

Ein anderes Thema: Die Energiepreise sind deutlich gefallen seit diesem Winter. Atmen die Familienunternehmen auf?

Das ist natürlich hilfreich, aber die Preise sind nur etwas gesunken, mit Betonung auf etwas. Im internationalen Vergleich sind die Preise immer noch extrem hoch.

Die Bundesregierung will energieintensive Betriebe mit einem Industriestrompreis subventionieren. Was halten Sie davon?

Das ist hochgefährlich. Großbetriebe dürfen nicht mit den Steuergeldern des Mittelstands finanziert werden, damit töten sie den Mittelstand. Wichtig ist, dass zügig die Erneuerbaren Energien ausgebaut und Speicherkapazitäten geschaffen werden. Außerdem sollte der Fokus auf Technologiefreiheit liegen. Obwohl die Atomkraftwerke in Deutschland als die besten der Welt galten, wurden sie abgeschaltet.

Versuchen die Unternehmen, sich selbst zu helfen?

Absolut. Ich habe selber die Kapazität, mit einer geplanten Solaranlage zwischen fünf und zehn Megawatt an private Unternehmen zu verkaufen und den Strompreis auf Jahre zu garantieren. Mit dem Bau könnte ich morgen beginnen, es scheitert derzeit aber an der Bürokratie. Auf die notwendige Netzprüfung müssen Unternehmer bis zu einem halben Jahr wartenund sie wird erst bei Vorlage eines fertigen Bauplans genehmigt. Dieser Plan kostet mich aber 50 000 Euro – und auch dann weiß ich nicht, ob die Anlage überhaupt gestattet wird. Aber selbst wenn, hilft uns das wenig, wenn wir Strom nicht speichern können.

Entsprechende Großprojekte sind aufwendig.

Wir haben den Platz. Ein Beispiel: Auf dem dem Gelände des stillgelegten Atomkraftwerks Kalkar steht heute ein Freizeitpark – wissen wir denn damit nichts besseres zu tun? Das Fraunhofer-Institut hat ermittelt, dass die Standorte der AKW sehr attraktiv wären, um dort Energiespeicher zu errichten, in welcher Form auch immer. Dort haben Sie die Flächen, die Netzinfrastruktur und die Flächenwidmung. Aber da fehlt der politische Fokus.

Interview: Pernilla Rauh und Matthias Schneider

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