München – Kinogänger kennen Flugtaxis seit 1997 und dem Science-Fiction-Film „Das fünfte Element“ mit US-Star Bruce Willis als Flugtaxifahrer. Dann wurde aus dem Zukunftstraum vermeintliche Realität und ein Hype, gefolgt von Ernüchterung und Zweifeln. Der deutsche Flugtaxi-Pionier Lilium drohte dieses Jahr aus der US-Technologiebörse Nasdaq zu fallen, weil der Aktienkurs im Tief auf 38 Cent und damit auf Ramschniveau gefallen war. Diese Gefahr sieht Lilium-Chef Klaus Roewe aber gebannt. „Seit Anfang Juni sind wir wieder im Einklang mit den Bedingungen der Nasdaq“, betont er. Der Lilium-Kurs notiert mit rund 1,3 Dollar wieder über der kritischen Schwelle von einem Dollar. Aber Roewe hat noch bessere Nachrichten, die man durchaus als Meilenstein gelten lassen kann. Denn die US-Flugzulassungsbehörde FAA hat nun die entscheidende Basis zur Zertifizierung des siebensitzigen und vollelektrischen Flugtaxis gelegt. „Die FAA-Zulassungsgrundlage weist den Weg unseres Lilium-Jets zur weltweiten Akzeptanz der Luft- und Raumfahrbehörden“, jubelt Roewe. Da eine solche seit 2020 schon durch das europäische Behördenpendant EASA vorliegt, ist Lilium nach eigenen Angaben der global erste Flugtaxi-Hersteller, der solche Dokumente für senkrecht startende und landende Mini-Elektroflieger sowohl für den europäischen wie den US-Markt vorweisen kann. Das Aufatmen ist hörbar. „Wir sind dankbar, dass wir auf beiden Seiten des Atlantiks großartige Partner gefunden haben, um den Himmel zu elektrifizieren“, kommentiert Lilium-Technologiechef Alastair McIntosh die FAA-Entscheidung. Sie erlaube es, an den Zeitplänen festzuhalten, betont man beim Start-up aus Weßling bei München. Erster bemannter Flug im zweiten Halbjahr 2024 und Beginn des weltweiten Flugtaxi-Betriebs Ende 2025, heißt das.
Damit wäre zwar zumindest Volocopter als anderer deutscher Branchenpionier ein Jahr früher kommerziell am Start und mutmaßlich auch ab Ende Juli 2024 bei den kommenden Olympischen Spielen in Paris per Lufttaxi mit von der Partie. Aber es sah schon einmal schlechter aus für Lilium. Grundsätzliche technische Zweifel an der Machbarkeit des eigenen Ansatzes hielten sich lange. Finanziell drohte ebenfalls eine Bruchlandung. Die Zulassung schien wegen der Neuartigkeit des Lilium-Jets völlig unkalkulierbar. Letzteres ist nun zwar nicht finaler Gewissheit aber doch seriöser Planbarkeit gewichen. Andere Hürden bleiben. Die fraglos höchste ist die weitere Finanzierung. Rund 250 Millionen Euro verbrennt der Flugtaxi-Pionier im Schnitt jährlich. Ende 2022 waren noch gut 200 Millionen Euro Liquidität in der Kasse. Selbst wenn alles klappt und Ende 2025 das kommerzielle Geschäft und damit das Geldverdienen beginnt, klafft bis dahin noch eine Finanzierungslücke von mehreren hundert Millionen Euro. „Ich bin fest überzeugt, dass wir unsere Finanzierung klären werden“, sagt Roewe.
Im Gespräch ist Geld von der bayerischen Förderbank LfA und der des Bundes KfW oder auch der Einstieg eines Finanziers aus der Autoindustrie nach dem Vorbild US-Flugtaxikonkurrenten Archer. Dort ist seit Kurzem der italienisch-französische Autobauer und Opel-Mutterkonzern Stellantis mit an Bord. Roewe bleibt hier aber zurückhaltend. „Es haben sich etliche Türen für die weitere Finanzierung geöffnet, über ungelegte Eier spreche ich aber nicht gerne“, sagt er dazu nur. Ein Selbstläufer sei die Finanzierung in einem Finanzmarkt, der heute ein ganz anderer als noch vor zwei bis drei Jahren war, allerdings nicht, räumt der Flugtaximanager ein. Die Gefahr, dass Lilium aus finanzieller Not heraus chinesisch wird, bestehe dennoch nicht, versichert Roewe. Der chinesische Investor Tencent, der jüngst 100 Millionen Dollar in das Startup gesteckt hat, strebe nicht mehr als ein Fünftel der Lilium-Anteile an und stelle auch sonst keine Forderungen, betont der Start-up-Chef.
Für Entspannung auf der finanziellen Seite sorgen indessen auch Vorbestellungen, für die neuerdings Anzahlungen fällig werden. Auf über 740 Flugtaxis ist das Orderbuch zuletzt gestiegen, nachdem die chinesische Luftfahrtfirma Heli Eastern für 100 Lilium-Jets eine Absichtserklärung unterzeichnet hat. Zugleich bringt das den Einstieg in den chinesischen Lufttaxi-Markt, dem riesiges Wachstumspotenzial zugesprochen wird.