Berlin – Der Wettbewerb auf der Schiene hat während der Coronajahre einem neuen Gutachten zufolge keine nennenswerten Fortschritte gemacht. Weder im Regional- noch im Güter- oder Fernverkehr gewannen die Konkurrenten der Deutschen Bahn in größerem Umfang Marktanteile hinzu, wie aus einem Sektorgutachten der Monopolkommission hervorgeht, das das Beratungsgremium veröffentlicht hat. Im Schienenpersonennahverkehr stieg der Anteil der Konkurrenten an der Verkehrsleistung von 2020 bis 2021 demnach um lediglich einen Prozentpunkt auf 34 Prozent.
Den Fernverkehr dominiert die Bahn weiterhin mit einem Marktanteil von rund 96 Prozent. Und auch im Güterverkehr stagnierte der Wettbewerb. Hier kontrollieren die Konkurrenzunternehmen der Bahn immerhin rund 55 Prozent des Marktes.
Das Gremium, das die Bundesregierung in Sachen Wettbewerb berät, hat sich deshalb erneut für eine Neustrukturierung ausgesprochen. Die geplante Gründung einer gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte, die die Bundesregierung derzeit verfolgt, geht aus Sicht der Kommission und der Wettbewerber aber nicht weit genug.
Zwar könne diese Maßnahme „ein geeigneter Schritt sein, die vielfältigen Defizite des Bahnsystems anzugehen“, schreibt die Monopolkommission. Allerdings empfehle sie, „auf eine weitgehende Unabhängigkeit der neuen Gesellschaft vom restlichen DB-Konzern hinzuwirken“. Den Plänen der Bundesregierung zufolge soll die neue Infrastrukturgesellschaft vom Bahn-Vorstand verantwortet werden.
Pro
Den radikalsten Fürsprechern einer neuen Bahn-Struktur schwebt eine vollständige Trennung der Infrastruktur-sparte vom Bahnbetrieb vor. Bislang ist all das vereint unter dem Dach des Deutsche-Bahn-Konzerns, der sowohl das Schienennetz verwaltet als auch eigene Verkehrsdienste darauf anbietet. Mit einer Aufspaltung könnte der bundeseigene Konzern schlanker und flexibler werden, argumentieren etwa CDU und CSU. Zum anderen hätten Wettbewerber einen transparenteren Zugang zu Daten, die das Schienennetz und den Zugverkehr betreffen. Eine Aufteilung stärke somit den Wettbewerb.
Ein weiteres Argument für eine Neustrukturierung dreht sich um die Finanzierung der Schieneninfrastruktur. Das Bahnnetz ist seit Jahren dringend sanierungsbedürftig. Ein Problem ist vor allem das Geld. Als Bahn-Tochter muss die DB Netz langfristig Gewinne machen und diese an den Mutterkonzern abführen. Auch deshalb plant die Bundesregierung, die Netz-Sparte in eine gemeinwohlorientierte Gesellschaft zu überführen. Auf diese Weise „würden Gewinne innerhalb der Sparte verbleiben“, erwartet etwa der Interessenverband Allianz pro Schiene. Sie könnten dann in größerem Umfang für den Ausbau der Infrastruktur verwendet werden.
Contra
Einer der lautesten Gegner einer Neustrukturierung der DB ist die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Sie fürchtet bei einer Zerschlagung des Konzerns vor allem Nachteile für die Beschäftigten. „Arbeitsleistungen müssen weiterhin innerhalb des DB-Konzerns vergeben werden können – das bedeutet sichere und tarifgebundene Arbeitsplätze vor allem im Dienstleistungsbereich“, teilte EVG-Chef Martin Burkert mit. Die Allianz pro Schiene ergänzt, die Steigerung der Qualität und der Kapazität des Netzes müssten oberste Priorität werden. „Eine Verengung auf die Strukturfrage hilft dabei nicht.“ Entscheidend sei der politische Wille, die jahrzehntelange Unterfinanzierung der Schienen- infrastruktur zu beseitigen.