München – Viel grüner Strom, maue Ölnachfrage: Die Energiepreise sind im Sommerloch. Experten sehen einen guten Zeitpunkt, die lauernden Risiken von Wetter und Geopolitik abzusichern.
Gas und Strom
Die Gaspreise am europäischen Großmarkt verharren seit einigen Wochen knapp über 30 Euro pro Megawattstunde, vor der Krise waren 20 üblich. Serafin von Roon, Leiter der Forschungsstelle für Energiewirtschaft, hält das Niveau für stabil: „Mit einem Gaspreis zwischen 30 und 40 Euro sind wir auf einem realistischen Niveau. Das ist der Preis, zu dem LNG rentabel importiert werden kann – und das ist preissetzend.“
Das sei jedoch dem warmen Wetter und den vollen Speichern geschuldet: „Bei den langfristigen Kontrakten sieht man die Unsicherheit im Markt: Für das ganze Jahr 2024 kostet Gas rund 50 Euro.“ Der Aufschlag ist also nicht saisonbedingt (siehe Grafik). Von Roon erklärt: „Das dürfte eine mittlere Erwartung sein: Es kommt noch russisches Gas über Pipelines nach Osteuropa. Würde das auch wegfallen, steigt der Gaspreis wahrscheinlich über 50 Euro.“ Das muss aber nicht so kommen: „Bleiben die Lieferungen stabil, dürfte der Gaspreis – wenn man nur die europäische Nachfrage beachtet – für kommendes Jahr wieder unter 50 Euro fallen.“
Dass der beschleunigte Bau des LNG-Terminals auf Rügen beschlossen wurde, sieht von Roon positiv. Aber: „Die Frage ist aber auch, wie viele Schiffe bekommt man. 2022 wurden die Lieferungen kurzfristig für viel Geld nach Europa gelenkt.“
Ebenfalls Einfluss auf den Gaspreis hat der Strommarkt, weil es schwer kalkulierbar ist, wie viele Gaskraftwerke gebraucht werden.“ Die Bedingungen am Strommarkt sind aktuell gut: „Die Strompreise profitieren gerade vom hohen Anteil Erneuerbarer Energien.“ Das führte am 2. Juli sogar zu deutlich negativen Strompreisen. „Das lag daran, dass die Nachfrage in Deutschland mit 100 Prozent grünem Strom gedeckt werden konnte“, erklärt von Roon. „Die Preise wurden negativ, weil vor allem Braunkohlekraftwerke und einige geförderte EE-Anlagen trotz gedeckter Nachfrage eingespeist haben.“ Das käme gerade im Sommer öfter vor: „Aufs Jahr gerechnet machen solche Ausreißer nicht viel aus. Durch Netz- und Speicherausbau werden sie aber mittelfristig die Strompreise senken können.“
Gerade ist die Lage – und die Preise – also günstig, es gibt aber auch Risiken: „Hohe Temperaturen und längere Dürren können den Kohletransport auf den Flüssen und die Kühlwasserversorgung der französischen AKW gefährden.“
. Tipp für Verbraucher
Aktuell sind die Bedingungen für die Gas- und Strompreise optimal, es gibt – außer die Gasnachfrage bricht überraschend ein – aus Marktsicht nicht viel Spiel nach unten. Stromtarife gibt es aktuell für unter 30 Cent brutto die Kilowattstunde, Gas kostet rund 9 Cent – jeweils im bundesweiten Durchschnitt. Am Großmarkt wird mindestens für das kommende Jahr mit großer Unsicherheit gerechnet. Wer Sicherheit möchte, sollte einen Vertrag mit Preisbindung über ein bis zwei Jahre erwägen. Wie sich die Preise tatsächlich entwickeln, hängt von vielen Faktoren ab – und lässt sich heute unmöglich sagen.
Öl
Die Rohstoff-Analysten der Commerzbank rechnen mit keinen großen Ausreißern beim Rohölpreis. Obwohl Saudi Arabien und Russland ihre Fördermengen im August weiter kürzen könnten, senkt die Commerzbank ihre Ölpreisprognose zum Jahresende von 90 auf 85 Dollar pro Fass. Heute sind es rund 75. Der Grund seien die globalen Rezessionssorgen, die die Nachfrage drücken. Daran, so die Analysten, dürften auch die Prognosen der Internationalen Energieagentur nichts ändern, die in der zweiten Jahreshälfte eine deutliche Unterversorgung sehen.
. Tipp für Verbraucher
Die Analysten – und Händler – sind angesichts der Wirtschaftssorgen auf der Welt zurückhaltend, dementsprechend sind unter den heutigen Bedingungen keine großen Preissprünge zu erwarten. Heizöl ist derzeit für rund 90 Cent erhältlich und war in den vergangenen Wochen auch schon günstiger. Die Ölförderer sind mit der Lage jedoch unzufrieden und halten die Zügel stramm. Sollte die Weltwirtschaft überraschend durchstarten, würde sich das recht schnell und deutlich beim Ölpreis bemerkbar machen.