München – Wer mit Wirecard-Papieren Geld verloren hat, sollte sich innerhalb der kommenden Wochen für das Musterverfahren registrieren. „Sie müssen sich rühren, Sie müssen was tun, Sie müssen jetzt handeln“, rät Daniela Bergdolt, Rechtsanwältin aus München und Vize-Präsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Am 16. September ist der Stichtag, dann endet die Frist, sich für das Kapitalmusterverfahren gegen Wirecard und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY zu registrieren.
„Bis zu diesem Zeitpunkt können Anleger sagen: ,Ich habe Ansprüche gegenüber Wirecard, gegenüber EY und gegenüber einigen Vorständen von Wirecard sowie den damals beteiligten Prüfern von EY, die melde ich hiermit an.‘“ Man leite damit kein Gerichtsverfahren ein, sondern lediglich eine Maßnahme, um eine Verjährung zu vermeiden. Einziger kleiner Haken: Betroffene Anleger können die Registrierung nicht selbst vornehmen. „Das geht nur über einen Rechtsanwalt“, sagt Bergdolt. Wir raten dazu, einen Fachanwalt einzuschalten.“ Bergdolt verweist auf die Internetseite der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht (bankundkapitalmarkt.de). Dort seien rund 1000 Fachanwälte registriert, über die Suchfunktion lasse sich ein geeigneter Fachanwalt in der Nähe des Wohnorts finden.
Ganz umsonst ist die Registrierung damit nicht. „Das ist aber eine Null-Komma-Gebühr aus dem Streitwert, hinzu kommt eine Gerichtskostengebühr“, sagt Bergdolt. Insgesamt sei die Gebühr weit geringer als beim Einreichen einer eigenen Klage. Zumal keine weiteren Kosten entstünden. Die Registrierung sei völlig risikolos.
Heißt das, eine Registrierung lohnt sich für jeden? „Wenn jemand nur ein paar wenige Aktien und einen Schaden von ein paar hundert Euro hatte, der sollte unter die Unterlagen ein Streichholz halten und die Sache vergessen, um es einmal salopp zu formulieren“, sagt Bergdolt. „Aber sobald es um Streitwerte ab etwa 5000 Euro geht, würde ich auf jeden Fall eine Registrierung vornehmen.“
Die Rechtsanwältin wirft Wirecard nicht nur vor, „grobe Fehler“ bei der Anfertigung der Jahresabschlüsse gemacht zu haben. Auch seien Ad-hoc-Meldungen zumindest seit dem 1. Januar 2015 falsch gewesen. Durch die Falschinformationen seien die Aktien in der Folge überteuert gehandelt worden. Wer Aktien oder andere Wertpapiere von Wirecard ab dem Jahr 2015 gekauft hat, ist nach Ansicht der Anwältin schadensersatzberechtigt. Wichtig dabei: „Es geht nicht nur darum, zum Stichtag der Insolvenz im Besitz von Wirecard-Aktien gewesen zu sein“, erklärt Bergdolt. „Auch wer vor der Insolvenz Papiere mit hohen Kursverlusten verkauft hat, kann diese im Rahmen des Kapitalmusterverfahrens geltend machen.“
Mit Geld können betroffene Anleger im Erfolgsfall der Klage auch deshalb rechnen, da neben dem insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard auch der Wirtschaftsprüfer EY und damit ein zahlungsfähiges Unternehmen verklagt werden soll. EY habe „grob fahrlässig“, womöglich auch „bedingt vorsätzlich“ gehandelt hat, sagt Bergdolt.
Bis Geschädigte mit Geld rechnen können, dürften aber Jahre vergehen: „Solche Verfahren dauern sehr lange“, sagt Bergdolt. Das Verfahren gegen die Hypo Real Estate habe 14 Jahre gedauert, das gegen die Telekom 20 Jahre. Das Kapitalmusterverfahren, das es in Deutschland seit dem Diesel-Skandal von Volkswagen gibt, hat aber einen entscheidenden Vorteil: „Wer einmal seine Ansprüche angemeldet hat, braucht nichts weiter zu tun.“ Nur eines sei wichtig, mahnt die Anwältin: Unterlagen, aus denen hervorgeht, wann Wirecard-Papiere gekauft und verkauft wurden, sollten betroffene Anleger niemals wegwerfen, nur weil sie fälschlicherweise glaubten, da komme nichts mehr. Bergdolt sagt: Am Ende des Verfahrens werde es „ziemlich sicher“ Schadenersatz geben.