München – Die Kreislaufwirtschaft ist ein Multitalent. Sie adressiert mit Klimawandel, wackligen Lieferketten oder einseitigen Rohstoffabhängigkeiten mehrere aktuelle Systemkrisen zugleich. Bislang erleidet diese vielversprechende Art des Wirtschaftens aber ein typisch deutsches Schicksal: „Deutschland hat viel technisches Wissen, aber wir schaffen es nicht, das auch umzusetzen“, sagt Susanne Kadner. Als Mitgründerin der im Januar aus der Taufe gehobenen Initiative Circular Republic darf man sie als führende Expertin für Kreislaufwirtschaft bezeichnen. Die aus dem Münchner Innovationszentrum UnternehmerTUM heraus entstandene Plattform will die heimische Wirtschaft auf kreislaufförmige Bahn bringen, was nottut.
2021 lag im Schnitt der Anteil von Rezyklaten, die in einer Volkswirtschaft Primärrohstoffe ersetzen, europaweit bei 11,7 Prozent. Deutschland liegt kaum über dem Durchschnitt bei 12,7 Prozent, weit entfernt vom Spitzenreiter Niederlande mit fast 34 Prozent. Auch Belgien mit gut 20 und Frankreich mit knapp 20 Prozent marschieren voran.
Deutsche Unternehmen agieren zu einseitig, findet Kadner. „Es geht nicht nur um Effizienz, sondern vor allem um Effektivität“, sagt sie und erklärt es am Beispiel Verpackungsfolien. Effizient sei, sie immer dünner zu machen, um weniger davon zu verbrauchen, was die letzten Jahre so gemacht wurde. Dann könne man sie aber kaum mehr wiederverwerten. Würde Kunststofffolie aber recyclingfähig gefertigt, brauche man zwar mehr davon, aber der Verbrauch an Primärmaterial sinkt, weil der Rezyklat-Anteil steigt. Das sei effektiv. Heute würden Kunststofffolien in Deutschland überwiegend verbrannt. „Nur aus etwa zehn Prozent werden wieder Kunststofffolien“, weiß Kadner.
Kreislaufwirtschaft sei zudem mehr als nur Wiederverwertung. Nur die Hälfte aller rohstoffschonenden Effekte, die man damit erzielen kann, entfielen auf die Wiederverwertung. Die andere Hälfte steuere eine längere oder intensivere Verwendung von Produkten bei, etwa durch Reparaturfähigkeit oder die Ökonomie des Teilens.
Unternehmerische Ideen für beide Säulen der Kreislaufwirtschaft gibt es in Deutschland genug: „Wir haben 171 deutsche Start-ups in diesem Bereich ermittelt“, sagt die Mitgründerin der Initiative. Deutschland sei damit hervorragend aufgestellt, man müsse nur traditionelle Firmen mit Recycling-Start-ups vernetzen.
Genau das passiert aber gerade. Circular Republic hat BMW mit dem Start-up Tozero verbandelt, das Recycling für Elektroautobatterien in einen industriellen Maßstab bringen will. „Wir schließen den Kreis“ sagt Tozero-Mitgründerin Sarah Fleischer. Das komme preislich zudem übrigens nicht teurer, als Primärrohstoffe zu verwenden. „Wenn die Autoindustrie den Rezyklatanteil kritischer Rohstoffe von heute 30 auf 70 Prozent erhöht und Carsharing oder andere Änderungen des Nutzungsverhaltens die Nachfrage verändern, könnte der Primärrohstoffverbrauch 2050 im Vergleich zu einem Weiter so um 80 Prozent gesenkt werden“, rechnet Kadner vor.