München – Die Ampel-Koalition will ab Dezember einen neuen CO2-Aufschlag auf die Lkw-Maut erheben. Damit würden sich die Mautkosten auf rund 35 Cent pro Kilometer praktisch verdoppeln. Außerdem soll ab Januar 2024 auch noch die CO2-Abgabe steigen. Das würde den Diesel-Preis für Spediteure erneut verteuern. Wir sprachen mit Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher beim Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), über die Pläne.
Wie gefährlich ist der Doppelschlag aus CO2-Maut und Diesel-Aufschlag für Ihre Branche?
Für die deutschen Transportlogistikunternehmen stellt diese Doppelbelastung aus CO2-Maut und CO2-Aufschlag an der Tankstelle eine enorme zusätzliche Schwächung ihrer Wettbewerbsfähigkeit dar. Sie sind ohnehin bereits seit Jahren einem massiven Dumpingwettbewerb vonseiten mittel- und osteuropäischer Speditionen ausgesetzt: In den letzten zehn Jahren sind die innerdeutschen Transporte ausländischer Lkw um den Faktor 4,3 geradezu explodiert. Und Sie dürfen nicht vergessen: Die Doppelbelastung bei der CO2-Bepreisung trifft fast ausschließlich deutsche Unternehmen, da deren Lkw ganz überwiegend in Deutschland tanken müssen. Ausländische Lkw, die in Deutschland unterwegs sind, tanken bei Reichweiten moderner Diesel-Fahrzeuge von 3000 und mehr Kilometern fast nie in Deutschland und haben somit einen weiteren signifikanten Wettbewerbsvorteil auf ihrer Seite. Und um die Brisanz des Mautthemas noch mal zu verdeutlichen: Derzeit sind wir im Fernverkehr bei einem Mautkostenanteil von circa zehn Prozent, der sich zu Anfang Dezember auf rund 20 Prozent verdoppeln dürfte. Damit steigen die Gesamtkosten um grob gerechnet ein Zehntel.
Das klingt aber nicht so dramatisch?
Mag sein. Aber wenn Sie in einer Branche unterwegs sind, in der Sie mit drei Prozent Umsatzrendite schon zu den „Spitzenverdienern“ gehören, ist das massiv. Das kann man nicht mit hausinternen Kosteneinsparungen kompensieren – diese Potenziale sind aufgrund der traditionell Lkw-feindlichen Politik in Deutschland schon seit vielen Jahren ausgeschöpft. Wer diese überdimensionale Kostensteigerung nicht an seine Auftraggeber weiterreichen kann, wird eher früher als später vom Markt verschwinden. Die Kosten für die CO2-Maut werden zu großen Teilen über den Handel beim Endverbraucher – also bei uns allen – landen müssen und die Inflation weiter anheizen. Man kann langfristig gegen jeden regieren – nur nicht gegen Adam Riese.
Was bedeutet diese Belastung für die Unternehmen konkret?
Spitz gerechnet, bedeutet das für einen mittelständischen Familienbetrieb mit 50 Lkw und einer Mautfahrleistung von 100 000 km pro Lkw eine Zusatzbelastung von 790 000 Euro pro Jahr. Dazu kämen bei der derzeit geplanten Anhebung der CO2-Abgabe auf 35 Euro je Tonne noch mal knapp 30 000 Euro. Sollte es auf 45 Euro nach oben gehen, kämen sogar gut 85 000 Euro obendrauf.
Was heißt das für die Beschäftigten der Branche?
Wir sehen schätzungsweise 10 bis 20 Prozent der Firmen – fast alle sind Familienbetriebe, die teils in zweiter, dritter oder gar vierter Generation geführt werden – und deren Arbeitsplätze in Gefahr. In der Branche arbeiten rund 650 000 Menschen, die einen Umsatz von knapp 40 Milliarden Euro pro Jahr erwirtschaften. Damit stehen grob 65 000 bis 130 000 Stellen auf dem Spiel.
Interview: Thomas Schmidtutz