Woher der Strom in Zukunft kommen soll

von Redaktion

NEUE SERIE Energieversorgung im Umbruch – Teil 1: Zwischen Grund- und Spitzenlast

VON MARTIN PREM

München – Der massenhafte Zubau von elektrisch betriebenen Heizungen – etwa von Wärmepumpen – und der Umstieg auf Elektromobilität gefährdet die Sicherheit unserer Stromversorgung, die schon den bestehenden Herausforderungen kaum gewachsen ist. Politik und Wirtschaft könnten gegensteuern.

Grundlast

Wo immer über das Thema Strom gesprochen wird, taucht in der Diskussion ein Begriff auf: Grundlast. Doch was ist die Grundlast? Und warum ist sie so wichtig?

Die Grundlast ist die elektrische Leistung, die in einem Versorgungsgebiet rund um die Uhr minimal benötigt wird, etwa mitten in der Nacht, wenn der Verbrauch seinen Tiefstand erreicht. In Deutschland grob 40 Gigawatt. Das, was man braucht, wenn 5000 ICE-Züge gleichzeitig anfahren. Grundlastkraftwerke laufen weltweit rund um die Uhr: Atomkraftwerke, Kohlekraftwerke oder Laufwasserkraftwerke. Stromerzeuger, die auf Dauerbetrieb ausgelegt sind. Es sind die Ochsenkarren der Energiewirtschaft: zuverlässig, genügsam, aber behäbig und unflexibel. Riesige Kohle- und Kernkraftwerke lieferten in Deutschland lange Zeit Grundlaststrom im Überschuss. Der Bezug wurde subventioniert. Wer elektrische Energie in Nachtspeicheröfen in Wärme verwandelte, die diese dann tagsüber abgeben, wurde mit verbilligtem Nachtstrom belohnt.

Spitzenlast

Es gibt aber Zeiten, in denen mehr Leistung gebraucht wird. Vormittags oder nachmittags, wenn Industrie- und Gewerbebetriebe unter Volllast laufen. Das ist dann die Spitzenlast, die Topleistung. Sie liegt in Deutschland bei 80 Gigawatt, grob überschlagen dem Doppelten der Grundlast. Dafür braucht man andere Kraftwerke, oft kleinere Anlagen mit fossiler Feuerung, etwa Gaskraftwerke, die sich schnell hochfahren lassen. Oder Wasserkraftwerke, die gestautes Wasser in Strom verwandeln, sogenannte Pumpspeicherkraftwerke. Flexible Stromerzeuger, die dafür teurer sind. Spitzenlastkraftwerke sind die Zugpferde der Stromversorgung: Flinker wie die behäbigen Ochsen. Sie stellen aber höhere Ansprüche ans Futter und die Betreuung.

Dieses Zusammenspiel hat in Deutschland bisher leidlich funktioniert. Elektrische Energie war flächendeckend verfügbar – zulasten der Umwelt. Kraftwerke haben die Luft verpestet, Atommüll produziert oder den Klimawandel angeheizt. Das sollte sich mit der Energiewende ändern. Kernkraftwerke wurden abgeschaltet. Steinkohle, Braunkohle, Erdöl und Erdgas sind ökologisch langfristig aus dem Spiel. Erneuerbare Energieträger sind die Lösung – oder sollen sie sein. Vor allem Windkraft und Sonnenstrom.

Sonne und Wind

Solaranlagen und Windräder an Land taugen nicht für die Grundlast. Die Sonne macht nachts und bei bedecktem Himmel Pause. Und der Wind weht nicht im Gleichtakt mit dem Strombedarf. Nur Offshore-Windparks auf dem Meer sind mit Einschränkungen grundlastfähig. Im Betrieb günstig, aber unberechenbar: Solar- und Windkraftwerke sind die Esel der Energieproduktion. Genügsam, manchmal willig, häufig störrisch. Windkraft und Photovoltaik liefern immer wieder Leistung im Überfluss. Mehr, als verbraucht wird. So rutschen die Preise an der Strombörse ins Negative. Es kostet dann Geld, elektrischen Strom loszuwerden. Reicht das nicht, werden Windräder und Solarparks sogar zwangsabgeschaltet – obwohl die Bedingungen gerade ideal wären. Oder es herrscht Flaute und stabile Wolkendecken bremsen die Sonne aus. Dann ist Strom knapp und teuer, man muss ihn zu Spitzenpreisen zukaufen, fährt die teuren Reservekraftwerke hoch. Wenn nach den nuklearen auch die fossilen Kraftwerke abgeschaltet werden, wächst diese Lücke.

Neue Verbraucher

Mit Wärmepumpen und Elektroautos sollen gleichzeitig massenhaft zusätzliche elektrische Großverbraucher versorgt werden. Die brauchen Strom oft nachts oder im Winter, wenn die Sonne nicht knallt.

Drei Möglichkeiten

Es zeichnen sich drei Wege ab, das Dilemma aufzulösen.

Erstens: Stromspeicher. Das sind Batterien, Pumpspeicherkraftwerke oder Druckluftspeicher. Sie sind heute schon im Einsatz, um kurzfristige Schwankungen auszugleichen. Die Stromlücke an windarmen und bewölkten Wintertagen können sie auf absehbare Zeit aber nicht füllen.

Zweitens: Flexible Stromerzeuger. Das können Wasserkraftwerke sein, die in Stauseen angesammelte Energie auf Abruf in Strom verwandeln. Oder schnell hochfahrbare thermische Kraftwerke, die aber künftig nicht mehr mit fossilem Erdgas betrieben werden sollen.

Und Drittens: Ein variabler Verbrauch. Es gibt große Stromabnehmer, vor allem in der Industrie, die bereit und in der Lage sind, ihre Nachfrage dem Angebot anzupassen – wenn es für sie wirtschaftlich kein Nachteil ist. Das kann einen erheblichen Teil der Schwankungen abfangen. Selbst wenn man die existierenden Potenziale ausschöpft, reicht alles zusammen derzeit nicht aus, die Flexibilität so zu managen, dass die Strompreise für Verbraucher in einem bezahlbaren Rahmen bleiben. Doch es gibt viele Ideen von Ingenieuren und jungen Unternehmen, die neue Wege beschreiten wollen. Sie könnten – wenn man sie lässt – einen Beitrag dazu leisten, dass die Energiewende gelingen könnte. Wir werden in unserer Serie einige davon vorstellen.

Im nächsten Teil der Serie

geht es um Ideen, Strom zu speichern, und zwar ohne dabei umweltschädliche Rohstoffe zu verwenden. Ein junges Münchner Unternehmen hat große Pläne.

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