Für Fondsmanager war die Nullzinszeit eigentlich eine goldene Ära: Die Geldflut der Notenbanken schwemmte die Aktienkurse nach oben und vielen Sparern wurde klar, dass Zinsen allein nicht reichen, wenn sie ihr Geld vermehren wollen. Auch dem von Thomas Schüßler gemanagten Aktienfonds DWS Top Dividende brachte das neue Kunden, mit über 20 Milliarden Euro Kapital ist er der größte aktiv gemanagte Aktienfonds in Deutschland und der drittgrößte in Europa. Wer vor zehn Jahren in den Fonds investiert hat, hat rund 90 Prozent Gewinn erzielt, was zunächst gut klingt. Mit einem simplen ETF auf den globalen Aktienindex MSCI World wären es aber 180 Prozent gewesen.
Herr Schüßler, die Finanzindustrie propagierte in der Zeit der Nullzinsen, Dividenden seien die neuen Zinsen. Nun gibt es wieder Zinsen. Braucht man Dividenden jetzt noch?
Der Vergleich war schon immer etwas schief, da Dividenden von Aktien stammen und Aktien ein Kursrisiko bergen. Aber: In Zeiten von Null- und Negativzinsen gab es kaum Möglichkeiten, regelmäßiges Einkommen zu generieren. Da waren Dividenden ein Ausweg. Und auch heute liegt der Zins noch unter der Teuerungsrate, weshalb man mit Zinsprodukten nach Abzug der Inflation real Geld verliert. Aktien bleiben also unentbehrlich.
Ihr DWS Top Dividende ist mit 20 Milliarden Kapital einer der größten Aktienfonds Europas. In den vergangenen Jahren schnitt er aber schlechter als der globale Aktienindex MSCI World ab. Ärgert Sie das?
Grundsätzlich vergleiche ich mich nicht mit dem breiten Markt. Der DWS Top Dividende ist ja ein thematischer Fonds, der auf Ausschüttungen setzt. Die meisten Fonds, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen und günstig bewertete Aktien mit hoher Dividende kaufen, gibt es schon nicht mehr. Das macht mich zu einem Dinosaurier. Die letzten Jahre waren natürlich frustrierend. Aber: Es ist nicht so, dass der Fonds Verluste gemacht und keine Ausschüttungen gebracht hätte. Und er hat auch die Achterbahnfahrt der Börsen nicht so stark mitgemacht. Mit der Wertentwicklung der Wachstumstitel, die kaum Dividenden zahlen, konnte er aber natürlich nicht mithalten.
Warum laufen Dividendenfonds seit Jahren schlechter als der Markt?
In den letzten Jahren haben die großen Wachstumstitel wie Apple oder Microsoft besonders stark von den Niedrigzinsen profitiert. Sie machten riesige Gewinne und prägen heute den MSCI World. In diese Firmen investiere ich aber nicht. Und wer diese Firmen seit der Finanzkrise nicht im Fonds hatte, konnte einfach nicht mithalten.
In was für Aktien investieren Sie dann?
In Aktien mit überdurchschnittlicher Ausschüttung. Am höchsten gewichtet ist der Fonds derzeit im Gesundheitssektor. Danach folgen der Finanzsektor und der Energiesektor mit Öl- und Gaskonzernen.
Warum haben Sie keine Technologiefirmen?
Ganz einfach: Sie schütten keine oder sehr niedrige Dividenden aus. Apple hatte vor vielen Jahren mal eine Dividendenrendite von zwei Prozent und war damals 300 Millionen Dollar wert. Heute hat Apple einen Börsenwert von rund drei Billionen Dollar und die Dividendenrendite liegt unter 0,5 Prozent. Das macht das Unternehmen für einen Dividendenfonds nicht investierbar. Ähnlich ist es mit den meisten anderen Technologieriesen wie Alphabet, Meta oder auch Tesla.
Diese Firmen haben auch ohne Dividende riesige Gewinne gebracht. Den meisten Anlegern dürfte es vermutlich egal sein, ob sie von Kursanstiegen oder Dividenden profitieren, oder?
Im Rückblick ist das so, da kann ich nicht widersprechen. Früher liefen aber in manchen Jahren Dividendenaktien besser, in anderen Wachstumsaktien. Das hat sich in etwa die Waage gehalten. Seit der Finanzkrise 2008 gibt es diesen Zyklus nicht mehr, seither hatten Wachstumsaktien fast immer klar die Nase vorn. Das ist aber nur der Blick in den Rückspiegel. Diese Entwicklung einfach fortzuschreiben wäre falsch und gefährlich.
Warum?
Höhere Zinsen wirken normalerweise wie Schwerkraft: Sind die Kurse von Wachstumstiteln wie Luftballons gestiegen, ziehen die Zinsen sie wieder nach unten. So war das früher jedenfalls.
Trotz Zinserhöhungen laufen entgegen dieser Theorie wieder die Technologieaktien gut und nicht die Dividendenaktien.
Stimmt, die Kurse zahlreicher Aktien sind dieses Jahr gefallen, bei den meisten Wachstumstiteln sah das anders aus. Trotz des Zinsanstiegs stützen sie im Moment die globalen Börsen. Das liegt vor allem am Hype um das Thema Künstliche Intelligenz bei Investoren. Es wirkt so, als stolperten wir von einer Übertreibung in die nächste.
Es kann doch auch sein, dass Technologie einfach die Zukunft prägt – und die alte Wirtschaft mit Industrie oder Öl, auf die Sie setzen, schlicht rapide an Bedeutung verliert?
Das glaube ich nicht. Man kann nicht alles nur mit Bits und Bites machen, die Welt braucht weiter Energie-, Industrie- oder Pharmakonzerne. Das ist bei Investoren nur etwas in Vergessenheit geraten. Stattdessen will jeder bei der Technologieparty dabei sein – egal, wie teuer diese Aktien schon sind, egal was es kostet. Aber die Trendwende kommt früher oder später.
Was macht Sie da so sicher?
Das Gesetz der großen Zahlen. Nehmen Sie Apple: Das Unternehmen hat einen globalen Markt erschlossen und ist wirklich rasant gewachsen. Nun hat Apple eine Marktkapitalisierung von drei Billionen Dollar. Dreitausend Milliarden! Apple ist damit fast doppelt so viel wert wie alle deutschen Aktien zusammen – und ähnlich viel wie die deutsche Wirtschaftsleistung, die pro Jahr bei vier Billionen liegt. Irgendwann können die Technologie- riesen nicht mehr weiter so stark wachsen. Das wird dann auch ihre Bewertungen und Kurse zurück auf den Boden der Realität holen. Und dann holen die alte Industrie- und die stabilen Dividendenwerte wieder auf. Das kommt unweigerlich.
Interview: Andreas Höß