Rente vor Reform: Aktien zur Finanzierung?

von Redaktion

VON BASIL WEGENER

Berlin – In den kommenden Wochen will die Bundesregierung eine große Reform auf den Weg bringen und die Renten in Deutschland fit für die Zukunft machen. Auch der Aktienmarkt soll bei der Absicherung der Renten erstmals eine zentrale Rolle spielen. Doch schon vor der Vorlage der Pläne gibt es teils heftige Kritik. Was ist geplant – und was sollte man über die Aktienpläne wissen? Es geht auch ums Rentenniveau.

Was ist eigentlich das Rentenniveau?

Das Rentenniveau gibt das Verhältnis der Höhe einer Rente zum Lohn an. Es sagt aus, wie viel Prozent des aktuellen Durchschnittslohns jemand als Rente erhält, der exakt 45 Jahre lang immer zum Durchschnittslohn gearbeitet und Beiträge gezahlt hat. Bei einem sinkenden Rentenniveau steigen die Renten weniger stark an als die Löhne.

Was will die Ampel mit einer weiteren Renten- reform erreichen?

Die 2018 beschlossene Reform reicht nur bis 2025. Bis dahin soll das Rentenniveau von heute 48,1 Prozent nicht unter 48 Prozent sinken und der Beitragssatz von Arbeitnehmern nicht über 20 Prozent des Bruttoeinkommens steigen. Heute liegt er bei 18,6 Prozent. Wird nicht gegengesteuert, droht das Rentenniveau d nach offizieller Prognose bis 2030 auf 46,6 Prozent zu sinken. Der Beitragssatz dürfte bis 2036 auf 21,3 Prozent steigen. Denn Millionen Babyboomer mit Geburtsjahren in den 50er- und 60er-Jahren wechseln in den Ruhestand und werden von Einzahlenden zu Rentnern.

Was plant die Regierung?

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) wollen ihre Rentenpläne demnächst präsentieren. Die zwei zentralen Punkte: Das Rentenniveau soll laut Arbeitsministerium dauerhaft bei 48 Prozent gesichert werden. Und mit dem Aufbau eines sogenannten Generationen-Kapitals soll der Beitragssatz langfristig stabilisiert werden – hier kommen die Aktien in Spiel. „Die gesetzliche Rente wird sich dann zukünftig aus drei Quellen finanzieren“, kündigte Heil an. Also aus den Rentenbeiträgen, dem Steuerzuschuss und – neu – aus Erträgen vom Kapitalmarkt.

Werden Rentner zu Aktienbesitzern?

Nein, auch sollen keine Rentenbeiträge in Aktienfonds fließen. Denn vom ursprünglichen FDP-Plan einer Aktienrente ist das Generationenkapital ein ganzes Stück entfernt. Die FDP hatte im Wahlkampf dafür geworben, dass zwei Prozent des Einkommens in eine kapitalgedeckte Vorsorge gesteckt wird. Stattdessen will die Regierung zunächst 10 Milliarden Euro aus öffentlichen Darlehen auf dem Kapitalmarkt anlegen. Die einzelnen Renten sollen damit auch nicht aufgebessert werden – sondern in rund eineinhalb Jahrzehnten die Rentenbeiträge stabilisiert werden.

Was halten Kritiker von den Anlagen in Aktien für die Rente?

„Die Finanzmärkte sind sehr volatil“, sagt DGB-Chefin Yasmin Fahimi. „Darauf kann man keinen Generationenvertrag aufbauen.“ VdK-Präsidentin Verena Bentele warnte vor „risikoreichen Experimenten“, der Sozialverband SoVD vor „Spekulationen am Aktienmarkt“. SoVD-Chefin Michaela Engelmeier wies auf schwankende Kurse infolge niedriger Zinsen und der Häufung internationaler Krisen hin. Der Arbeitgeberverband BDA kritisierte zudem, dass der Staat dafür Schulden aufnehmen wolle und somit neue Zukunftslasten schaffe.

Soll das Kapital riskant angelegt werden?

Nein. „Die Sicherheit ergibt sich aus der Breite und der Langfristigkeit der Anlagen“, sagte Lindner in einem Interview. Vorgesehen ist eine global diversifizierte und langfristige Kapitalanlage. Gemanagt werden soll die Anlage von einem Staatsfonds in Form einer politisch unabhängigen Stiftung. Sollten die Aktienkurse sinken und die Anlagen einmal weniger Rendite abwerfen, soll das der Bund kompensieren.

Gibt es bereits Erfahrungswerte?

Es gibt den Staatsfonds Kenfo, der seit 2017 24 Milliarden Euro zur Entsorgung von Atommüll am Kapitalmarkt anlegt. Der Grünen-Rentenexperte Markus Kurth verwies darauf, dass der Fonds 2022 einen Verlust von rund zwölf Prozent beziehungsweise 3,1 Milliarden Euro erwirtschaftet habe.

Wie weit reicht das Generationenkapital für die Rentenfinanzen?

Es ist ein Baustein – wie groß dieser wird, bleibt abzuwarten. Lindner will, dass künftig jedes Jahr 10 Milliarden Euro in die Anlage gesteckt wird. Doch ob das so kommt, ist offen. Ein künftiger Beitragsanstieg dürfte wahrscheinlich kaum voll ausgeglichen werden. DGB-Chefin Yasmin Fahimi sagt: „Ich habe aber nicht viel Hoffnung, dass das wirklich einen Beitrag zur Stabilisierung der Alterseinkommen leisten wird.“

Kostet es auch Geld, wenn das Rentenniveau gestützt wird?

Eine ganze Menge. Nach einer Faustformel entspricht eine Erhöhung des Rentenniveaus um einen Prozentpunkt dem Finanzvolumen von knapp einem halben Beitragssatzpunkt. Ein halber Beitragssatzpunkt entspricht gut acht Milliarden Euro.

Welche Sorge treibt die Arbeitgeber um?

Die Sorge, dass künftig noch mehr Beitrags- und Steuergeld in die Rente gepumpt wird. „Mehr als 100 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt fließen jedes Jahr in die Finanzierung der Rente“, stellt Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger fest. „Wenn die Babyboomer nachrücken, wird es noch teurer.“

Soll man auch privat fürs Alter vorsorgen können?

Ja. Eine Regierungskommission hat bereits Vorschläge vorgelegt. Nach einer Reform der privaten Altersvorsorge könnten demnach auch Vorsorgeformen mit geringeren Garantien und höheren Renditemöglichkeiten als bei der heutigen Riester-Rente angeboten werden – auch mit Anlagen in börsengehandelten Indexfonds (ETFs). Die Riester-Rente soll den Vorschlägen zufolge auslaufen, bestehende Verträge sollen Bestandsschutz erhalten. Mit afp

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