München – Sie steht umgeben von etwa 40 erwartungsvollen Spieleerklärern in einem abgegrenzten Bereich des Sendlinger Tannengartens. Petra Griebel holt tief Luft. „Wir haben einen Veranstaltungsort“, ruft die Gründerin der Münchner Spielwiesn in die Runde. Jubel brandet auf. Denn einer der größten Publikumsmessen Deutschlands für analoge Gesellschaftsspiele drohte nach 29 Jahren ein rüdes Ende, weil sich kein Ort zum Karteln, Taktieren und Bluffen mehr finden ließ.
Gemessen an der Vorlaufzeit in letzter Minute haben Griebel und ihr mitveranstaltender Bruder Thomas Gärtner nun eine neue Heimat gefunden. Aber die liegt nicht mehr an der Isar, sondern am Lech in den Hallen der Augsburger Messe. Bei Griebel, Gärtner und ihren Helfern sorgt das für lachende und weinende Augen. „Wenn man eine Münchner Spielwiesn ist, fällt es schwer, nach Augsburg zu gehen, aber Augsburg hat es uns leicht gemacht“, bringt Griebel es auf den Punkt.
Sie blickt zurück auf 1991, als die Auftaktveranstaltung im längst abgerissenen Pschorr-Keller bei der Theresienwiese über die Bühne ging. Dem Ganzen den Namen Spielwiesn zu geben, lag da schon örtlich nahe. Ein paar hundert Gesellschaftsspieler waren damals mit von der Partie, erinnern sich die Veteranen unter den Spieleerklärern, von denen einige auch noch heute im Tannengarten dabei sind. Weil Brett- und Kartenspiele in ganz Deutschland vor allem unter Erwachsenen eine große Fangemeinde haben, wuchs die Wiesn für Spieler schnell zur größten ihrer Art in Süddeutschland. Sie zog erst in den Mathäser-Weißbierkeller am Stachus um, den es heute auch nicht mehr gibt, dann ins ebenfalls überlebte Forum der Technik beim Deutschen Museum und schließlich in die Messehallen des MOC.
Über 50 000 Spielwütige frönten dort in der Zeit vor Corona ihrer Leidenschaft. Am Publikumszuspruch hat es nie gemangelt, sagen Griebel und Gärtner.
In den letzten Jahren war der Austragungsort das MOC im Münchner Norden, was noch nie ein kostengünstiges Pflaster für eine halb-kommerzielle Veranstaltung wie die Spielwiesn war, erklären die Veranstalter. Denn anders als bei anderen Brettspielmessen dominiere dort eine verlagsfreie Fläche mit Tischen, Stühlen und ehrenamtlichen Helfern, die Spielregeln erklären. Ein guter Service, bei jährlich hunderten von Neuerscheinungen teils fragwürdiger Qualität.
Aber der von diesem Konzept belegte Teil der Messehallen bringt keine Standmiete, wie die Flächen, die für Verlagsstände gebucht werden. Die gibt es bei der Spielwiesn zwar auch. Sie machen aber weniger als die Hälfte der Messefläche aus.
„Deshalb haben wir versucht, von der Stadt Zuschüsse zu bekommen“, erzählt Griebel. 2020 hat sich der Stadtrat damit befasst. Die Angelegenheit habe „für die Stadt München keine grundsätzliche Bedeutung“, eine Unterstützung sei „nicht angedacht“ und „die Angelegenheit damit abgeschlossen“, heißt es im ablehnenden Bescheid von damals.
Beim Neustart nach Corona-Pause hat sich die Situation für die Spielwiesn im MOC dann noch per Brandschutz verschärft. „Die Zahl der Besucher, die maximal anwesend sein dürfen, wurde dadurch stark limitiert“, erzählt Griebel. Mehr als 12 000 Spielbegeisterte konnten in der Folge an den drei Spielwiesn-Tagen 2022 nicht mehr an die Tische. Damit lassen sich die Kosten nicht mehr decken, ohne die Eintrittspreise massiv zu erhöhen. Es war klar, dass es im MOC keine Zukunft mehr gibt.
Eine Alternative musste her. „Wir haben alles abgesucht“, sagt Gärtner, vergeblich. In München wird es keine Spielwiesn mehr geben, war damit am Ende klar. „Zwei Tage nach dem Ende der Spielwiesn 2022 war aber schon die Messe Augsburg an uns herangetreten“, erzählt Griebel. Mit 14 000 Quadratmetern ist die Fläche das Dreifache dessen, was im MOC zur Verfügung stand und zudem bezahlbar. Es droht auch keine Einlassbeschränkung. Eine Schirmherrschaft der Augsburger CSU-Oberbürgermeisterin Eva Weber sowie zweier Landräte ist signalisiert. Spieleerklärer sind gefunden, Verlage hätten ebenfalls ihr Mitmachen angekündigt. Auch ihre Münchner Stammkundschaft würde die Spielwiesn gern behalten.
Die 30. Spielwiesn in Augsburg ist vom 3. bis 5. November 2023 geplant.