München – Nach guten Jahren steuert das Handwerk in Bayern auf schwierige Zeiten zu. Obwohl die Branche üblicherweise im Frühjahr saisonbedingt aufblüht, sind bei fast einem Drittel der bayerischen Handwerksbetriebe im ersten Halbjahr weniger Aufträge eingegangen als im Vorjahreszeitraum. Das teilte die Handwerkskammer für München und Oberbayern am Freitag mit. Besonders betroffen: das Baugewerbe, das für rund die Hälfte der Umsätze im Handwerk steht.
„Gerade im Wohnungsbau zeigt sich die fatale Kombination aus hohen Kosten, steigenden Zinsen, falschen staatlichen Rahmenbedingungen und der anhaltenden Unsicherheit der Kunden“, sagte Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages. Im ersten Halbjahr seien die Baugenehmigungen um 30 Prozent eingebrochen, was sich negativ auf die Auftragslage im Handwerk ausgewirkt habe. Vor allem kleinen und mittleren Baufirmen mit fünf bis 25 Mitarbeitern würden die Aufträge wegbrechen. Der massive Rückgang drohe bald auf andere Bereiche überzugreifen. „Auch die Schreiner oder Bodenleger spüren bereits, dass weniger gebaut wird“, so Peteranderl. „Der heftige Auftragseinbruch im Wohnungsbau bereitet uns große Sorgen.“
Noch sei unklar, wie stark der Rücksetzer ausfalle und ob Personal abgebaut werden müsse. Von einer Entlassungswelle sei man dennoch weit entfernt. „Die Betriebe versuchen ihre Arbeitskräfte so lange es geht zu halten, damit sie ihnen nicht dauerhaft verloren gehen“, so der Handwerkspräsident. Derzeit zählt die Branche rund 940 000 Beschäftigte, 0,8 Prozent weniger als im Vorjahr. Und viele Firmen stehen trotz der Sorgen gut da. Die Auslastung der meisten Betriebe ist nach wie vor hoch. So profitiert das Ausbauhandwerk beispielsweise von Sanierungen und Heizungsumrüstungen im Zuge der Energiewende.
Im ersten Halbjahr setzte die Branche laut Handwerkskammer 71,1 Milliarden Euro um – über zehn Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. „Nach Abzug der Preissteigerung verbleibt unter dem Strich aber ein reales Minus von 0,7 Prozent“, rechnet Peteranderl vor. Im Gesamtjahr erwartet er nun einen nominalen Umsatzanstieg von sieben Prozent. Inflationsbereinigt könnte sich dennoch ein Minus ergeben. Entsprechend kommt auch aus dem Handwerk der Ruf nach Hilfen und Reformen. Die Handwerkskammer will zum Beispiel höhere Förderungen für den energetischen Neubau, bessere Abschreibungsregeln für Baukosten und eine reduzierte Mehrwertsteuer auf Bauleistungen. Auch einen Bürokratieabbau fordert sie. „Immer weniger Meister wollen einen Betrieb gründen oder übernehmen“, so Peteranderl. „Fast immer liegt das an dem mit der Betriebsführung verbundenen Papierkram.“
Insgesamt sank die Zahl der Handwerksbetriebe in Bayern um 0,5 Prozent auf rund 208 000. Besonders groß war das Minus in der Stadt München mit drei Prozent. Dort registriert die Kammer seit Jahren ein regelrechtes Handwerkssterben: 3656 weniger Betriebe als 2012 gibt es heute in der Stadt, ein Rückgang um 16 Prozent. Dieser liege zum einen an Betriebsaufgaben, zum anderen an einem Exodus ins Umland. Der Grund: Die Flächen in der Stadt sind rar und teuer, die Straßen verstopft und die Anwohner würden sich immer öfter über die alteingesessenen Betriebe in der Millionenmetropole beschweren. „Das ist schade, denn das Stadtbild in München war immer durch die kleinen Handwerksfirmen in den Hinterhöfen geprägt“, so Peteranderl. „Dieses Flair geht leider verloren.“