Chinas Wirtschaft schwächelt bedenklich

von Redaktion

VON ANDREAS HÖSS

Peking – Die chinesische Zentralbank hat vor dem Hintergrund enttäuschender Konjunkturdaten erneut an der Zinsschraube gedreht. Wie das Institut am Dienstag mitteilte, wurde der Zinssatz für Kredite mit einer einjährigen Laufzeit um 0,15 Punkte auf 2,5 Prozent gesenkt. Es ist die zweite Zinssenkung seit Juni – und sie deutet darauf hin, dass man sich in Peking immer größere Sorgen um die heimische Wirtschaft macht.

Tatsächlich sehen die Wirtschaftsdaten aus China derzeit alles andere als vielversprechend aus: Ebenfalls am Dienstag legte das Pekinger Statistikamt Konjunkturdaten vor, die überwiegend schwächer ausfielen, als Analysten erwartet hatten. Demnach stieg die Industrieproduktion im Juli im Jahresvergleich um 3,7 Prozent und lag damit unter den Erwartungen. Auch das Wachstum der chinesischen Einzelhandelsumsätze verlangsamte sich erneut – auf nur noch 2,5 Prozent. Überraschenderweise machte die Behörde zudem keine Angaben zur Entwicklung der zuletzt sehr hohen Jugendarbeitslosigkeit. Mehr als jeder fünfte junge Chinese fand zuletzt keinen Job. Ein Sprecher der Statistikbehörde sagte, die Statistik werde ausgesetzt und überarbeitet.

Besonders gefährlich ist die Lage aber am Immobilienmarkt, der über Jahre boomte und Baufirmen, Rohstoffförderern, aber auch Banken und Projektentwicklern beste Geschäfte bescherte. Der angeschlagene Immobiliensektor verzeichnete nun einen Rückgang der Investitionen um 8,5 Prozent, so das Statistikamt am Dienstag. Chinas Probleme nach dem Platzen der Immobilienblase hält sogar schon die Finanzmärkte in Atem. An den Börsen beobachtet man seit Tagen mit Argusaugen, wie nach China Evergrande mit Country Garden ein weiterer milliardenschwerer Immobilienentwickler in Schieflage gerät. Die auf Wohnungen in kleineren Städten spezialisierte Gruppe hatte Ende 2022 umgerechnet rund 175 Milliarden Euro an Schulden. Der Konzern ist tief in den roten Zahlen und hat zuletzt keine Zinszahlungen für seine Anleihen mehr geleistet – ein absolutes Alarmzeichen für Investoren. Die warfen die Aktien von Country Garden aus ihren Porftolios, die daraufhin einbrachen, und versuchten massenhaft, die Anleihen der Firma loszuwerden. Seit dieser Woche sind einige der Papiere nun vom Handel ausgesetzt.

Die drohende Krise in China ist auch für die deutsche Wirtschaft gefährlich. China ist seit 2016 Deutschlands wichtigster Handelspartner, noch vor den USA, den Niederlanden und Frankreich. Haben die Verbraucher in China Probleme, spüren das auch die deutschen Exportunternehmen, etwa die Auto- und Maschinenbauer.

Gleichzeitig ist die Bedeutung der chinesischen Exporte für Deutschland und Europa riesig. So sind Chinas Anteile an den EU-Importen in den vergangenen 23 Jahren „durchgängig und sehr deutlich gestiegen“, wie eine am Dienstag vorgestellte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt, die den Zeitraum von 2000 bis 2022 untersucht hat. Deutschlands Anteile an den EU-Importen seien dagegen „insgesamt und in zahlreichen anspruchsvollen industriellen Produktgruppen“ seit 2005 rückläufig. Der Rückgang habe sich in vielen Bereichen zuletzt beschleunigt. „Chinesische Anteilsgewinne und deutsche Anteilsverluste gehen in vielen Perspektiven oft zeitlich Hand in Hand“, so Studienautor Jürgen Matthes.

Bei den gesamten Warenimporten sei der Anteil Chinas an den EU-Importen von 2,6 Prozent im Jahre 2000 auf 8,8 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen. Der deutsche Anteil sei im gleichen Zeitraum dagegen von 14,3 auf 12,5 Prozent gesunken. Matthes äußerte sich besorgt über den Befund: „Hier könnte sich eine strukturelle Entwicklung anbahnen, da das industrielle deutsche Geschäftsmodell derzeit auch aufgrund hoher Energiekosten unter Druck steht.“

Mit Material von dpa

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