„Nicht den Trends hinterherlaufen“

von Redaktion

INTERVIEW Anlageberater Thomas Freiberger erklärt, wir Sparer ihr Vermögen sichern

München – Was Thomas Freiberger beruflich macht, hat Seltenheitswert: Er ist einer von 18 Honorar-Anlageberatern in Deutschland. Das Versprechen: Eine unabhängige Vermögensberatung – der Kunde zahlt dafür ein Honorar. Zwar gibt es hunderte Honorarberater in Deutschland, die Sache ist aber kompliziert: Freiberger ist Honorar-Anlageberater, das heißt, sein Wertpapierinstitut wird von der Finanzaufsicht Bafin beaufsichtigt und unterliegt Auflagen wie einem gesetzlichen Provisionsverbot. Im Unterschied zu Honorar-Finanzanlagenberatern, die nicht der Aufsicht der Bafin unterliegen, und nur zu Investmentfonds beraten dürfen, darf Freiberger alle Finanzinstrumente empfehlen – von der Einzelaktie bis zu festverzinslichen Wertpapieren. Wir sprachen mit dem Experten, wie man Geld am besten anlegt.

Der Deutsche Aktienindex Dax bewegt sich noch immer nahe seines Rekordstands. Sollen Anleger jetzt noch einsteigen?

Das Thema interessiert mich natürlich, schließlich habe ich viele Jahre in Frankfurt als Broker gearbeitet. Für einen Honorar-Anlageberater ist das aber genau die falsche Frage. Nicht die Marktentwicklung sollte die Geldanlage treiben.

Sondern?

Man sollte sich komplett von Marktentwicklungen, aber auch Produkten wie Fonds oder ETFs im ersten Schritt lösen und sich zu allererst die eigene individuelle Situation anschauen.

Das heißt?

Zunächst einmal muss ich mir bewusst machen: Wie hoch ist mein monatliches Einkommen oder meine Rente? Habe ich Lebensversicherungen? Habe ich Immobilien? Bin ich mitten im Berufsleben oder stehe ich kurz vor der Rente? Und ganz wichtig: Für welchen Zweck soll das Geld überhaupt angelegt werden? Für die eigene Altersvorsorge? Für die Enkel? Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, kann ich eine Empfehlung aufbauen.

Angenommen, ich habe 100 000 Euro, weil beispielsweise eine Lebensversicherung ausgezahlt wurde und bin auf das Geld akut nicht angewiesen. Wie gehe ich vor?

Auch diese Angaben genügen einem Berater wie mir noch nicht, tut mir leid.

Dann nennen Sie ein konkretes Beispiel.

Wir haben einen Angestellten, 60 Jahre alt, er geht jetzt in Altersteilzeit und plant seine Rente. Die gesetzliche Rente reicht ihm weitgehend, um den Lebensstandard zu sichern. Hinzu kommt eine schöne Betriebsrente, außerdem sind die Kinder aus dem Haus und versorgt, auch das Eigenheim muss nicht mehr abbezahlt werden – in so einem Fall kann man mit dem Geld alles Mögliche machen: In den Urlaub fahren, ein Wohnmobil kaufen – oder das Geld mit einer hohen Aktienquote anlegen.

Was wäre das Maximum?

Die Aktienquote sollte höchstens bei 50 oder 60 Prozent liegen, mehr sollten es nicht sein.

Und wenn jemand nicht so betucht ist?

Wenn jemand von den 100 000 Euro jeden Monat 200 bis 300 Euro herausnehmen muss, weil das Geld zum Leben sonst nicht reicht, muss ich das Geld defensiver anlegen. Dann muss ich Risiken minimieren, damit das Geld im Alter von 70 nicht weg ist.

Wie wäre die Aktienquote im defensiven Portfolio?

20 Prozent, nicht mehr.

Und die restlichen 80 Prozent?

Tagesgelder, Festgelder und Anleihen. Die Anforderung ist: Die Anlagen müssen sicher sein.

Und vermutlich Zinsen abwerfen.

Das wäre schön, Zinsen sind aber nicht die Hauptanforderung bei einer defensiven Geldanlage, sondern Stabilität. Der risikoarme Teil einer Geldanlage sollte als eine Art Anker betrachtet werden. Er gibt dem Anleger die Sicherheit, die er benötigt, um die Schwankungen des risikobehafteten Teils auszuhalten – unabhängig vom Zinsniveau. Wir haben auch in der Nullzinsphase unseren Kunden Bundesanleihen oder Pfandbriefe empfohlen – obwohl es darauf keine Zinsen gab.

Und wie legt man Festgelder an?

Über Zinstreppen. Man kauft Festgeldanlagen oder Anleihen mit unterschiedlichen Fälligkeiten: Ein Jahr, zwei Jahre, drei Jahre und vier Jahre. Nach einem Jahr ist die erste Anlage fällig, das Geld kann bei Bedarf verwendet werden – oder wieder in vierjähriges Festgeld anlegt werden. Das bedeutet: Jedes Jahr werden Gelder frei und ich kann mich jedes Jahr neu entscheiden, diese Gelder wieder in Festgeld zu investieren.

Bei welchen Banken würden Sie Festgelder kaufen?

Wir empfehlen nur deutsche Banken mit einer Einlagensicherung bis 100 000 Euro, da sind wir streng. Wir empfehlen keineswegs Banken im europäischen Ausland nur wegen ein paar Prozentpunkte mehr. In der Eurozone gibt es immer das Risiko einer Änderung des Währungskorbes souveräner Staaten.

Wie gehen Sie beim offensiven Teil vor? Welche Aktien empfehlen Sie? Ein breit gestreuter Indexfonds wie einen ETF auf den MSCI World?

Investmentfonds auf sehr viele Aktien aus aller Welt sind ein guter Start. Wegen ihrer hohen Bewertung sind Technologie-Titel wie Apple oder Microsoft im MSCI World Index aber sehr stark gewichtet. Das heißt, der Index bildet immer auch Trends ab – seien es Anlagemoden wie Wasserstoff oder Künstliche Intelligenz. Als Anleger sollte man solchen Trends aber nie hinterherlaufen.

Wie geht das?

Der MSCI World hat 1600 Aktien – wir haben mit weltweit über 13 000 Aktien eine breitere Streuung und gewichten auch anders. Wir raten zu Fonds, die Indizes nicht sklavisch nachahmen, sogenannte Anlagenklassen-Fonds.

Was ist das denn?

Dahinter stecken auch Index-Fonds, die werden nach wissenschaftlichen Kriterien aber noch einmal strukturiert und gewichtet – weniger große und teure Unternehmen, aber mehr kleine und günstiger bewertete Unternehmen. Dann liegt nicht nur Tesla als dickes hoch bewertetes Paket im Fonds, sondern auch Autohersteller mit einer geringeren Bewertung. BMW kann schließlich auch Autos bauen.

Kann diese Anlagenklassen-Fonds jeder kaufen?

Exchange Traded Funds, ETFs, sind im Prinzip für Privatanleger konzipiert. Im Unterschied dazu sind klassische Investmentfonds, wie Indexfonds oder Anlageklassenfonds, institutionellen Anlegern vorbehalten.

Warum?

Hintergrund ist, dass unsere Kunden mit ihren Fondsanteilen in der Regel nicht handeln, und das spart Kosten. Bei Retail-Produkten wie ETFs fallen durch den ständigen Handel Kosten an.

Nur dürfte ein Berater wie Sie auch nicht gerade billig sein. Was verlangen Sie?

Für die Finanzplanung geht es bei 800 Euro los. Am Ende hängt das Honorarangebot von der Komplexität der eigenen Vermögenssituation ab.

Ganz schön teuer.

Würde ich so nicht sagen: Wenn Sie 100 000 Euro anlegen, zahlen Sie bei Banken und Sparkassen schnell einen Ausgabeaufschlag von fünf Prozent – das sind 5000 Euro. Damit ist die Bank teurer.

Welchen Ratschlag würden Sie jedem Sparer mit auf den Weg geben?

Jeder Sparer sollte sich mit dem Thema Geldanlage beschäftigen und Rat einholen. Sollte ein guter Kontakt zur Hausbank bestehen, sollte man sich aber nicht scheuen, eine zweite Meinung eines unabhängigen Beraters einzuholen. Bei der Geldanlage macht man Fehler nur einmal – dann ist das Geld weg und es gibt keine zweite Chance.

Interview: Sebastian Hölzle

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