Augsburg – Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose. Dahinter steckt ein gewaltiger logistischer Aufwand, immer die Menge elektrischer Energie bereitzustellen, die gerade benötigt wird. Das hat sich durch die Energiewende mit ihrer vom Wetter abhängigen Erzeugung dramatisch verschärft.
Doch einige große Unternehmen können hier flexibel gegensteuern. Sie können ihren Verbrauch dem Angebot in gewissen Grenzen anpassen. Papierfabriken etwa gehören dazu. UPM in Augsburg zum Beispiel. Die Faser zu erzeugen, sei besonders energieintensiv, erklärt Rainer Häring, Energie-Direktor bei UPM. Dabei ist es kein großer Unterschied, ob man unzerkleinertes Holz lagert – oder die Faser für die Weiterverarbeitung.
Das schafft Flexibilität. Ist Strom günstig zu haben, wird auf Vorrat zerkleinert. Ist er teuer, werden die angesammelten Vorräte verbraucht. Das geht nicht zulasten der kleinen Verbraucher. Großabnehmer nehmen Solar- oder Windstrom dann ab, wenn er im Überfluss vorhanden ist. Und sie pausieren, wenn wenig davon da ist. Das sorgt dafür, dass weniger teure Reservekraftwerke immer wieder hochgefahren werden müssen. Die vor allem sind es, die den Strom in Deutschland so teuer machen.
Doch wie lässt sich Flexibilität planen? Wetterlagen lassen sich mittlerweile gut voraussehen. Wenn kräftiger Wind bläst, gibt es oft Windstrom im Überfluss. Zu erkennen, weil manche Windräder sich drehen, andere nicht. Sie werden gestoppt, weil niemand, den Strom, den die Natur ohne Rohstoffeinsatz zur Verfügung stellen würde, abnimmt. Das ist ein Überangebot, das Häring nutzt. Dagegen ruhen die Zerkleinerungsmaschinen möglichst, wenn es an billigem Strom fehlt. Bis 2022 haben flexible Großverbraucher und die Stromversorger das auf breiter Front koordiniert: Abschaltbare Lasten nannte sich das Verfahren (siehe Kasten).
Doch das Instrument wurde von der Politik aufgegeben. Brauchbaren Ersatz gibt es bisher nicht. „Allein 1000 Megawatt Flexibilität fielen allein in der Aluminiumindustrie weg“, schätzt Häring. Nun plant jeder wieder für sich. Ungefähr eine Woche im Voraus lässt sich ganz gut bewältigen. Doch es gibt auch schwer zu kalkulierende Schwankungen. Kurzfristige, nicht vorhergesagte Wetteränderungen oder den plötzlichen Ausfall eines Großkraftwerks. Hier versuchen Dienstleister, für einen Ausgleich zu sorgen. Etwa das junge Unternehmen Esforin.
Der Grundgedanke ist der gleiche wie bei UPM. „Eine Alu-Schmelze kann mit 960 Grad so gut arbeiten wie mit 970 Grad“, erklärt Christian Hövelhaus. Er ist Gründer und Chef der Essener Firma, dem europäischen Marktführer für die Flexibilitätsvermarktung von Strom. Was für das Metall keine Rolle spielt, ist für die Stromkosten ganz erheblich. Gibt es ein Überangebot, heizt die Alu-Schmelze bis an die obere Grenze auf. Bei einem Mangel kann man das flüssige Metall ohne Stromverbrauch bis an die untere Grenze „abkühlen“ lassen.
Es sind nicht nur große Unternehmen, die das nutzen können. Auch Haushalte gehören zur Zielgruppe. Nicht einzeln, sondern gebündelt. So arbeitet die Sonnen GmbH aus dem Allgäu mit dem Essener Unternehmen zusammen. Sonnen bietet Batterielösungen für Solaranlagen, aber nicht nur um Strom individuell zu speichern. Die Batterien werden zu einem virtuellen Kraftwerk zusammengefasst, das sogar Regelenergie zur Verfügung stellen kann. So können selbst kleine Haushalte von den stark schwankenden Preisen an der Strombörse profitieren.
Noch ist gar nicht absehbar, welchen Beitrag die Flexibilisierung zur Stabilisierung der Stromnetze und damit zur Sicherheit der Stromversorgung in Deutschland und Europa leisten kann. Esforin ist auch noch ein vergleichsweise kleiner Spieler am Markt. Doch bereits im Jahr 2022 hat es nach eigenen Angaben 350 000 Tonnen CO2 eingespart. Für Hövelhaus nur ein Einstieg. „Wir sind“, so sagt er, „noch ziemlich am Anfang“.