Wer abwandern kann – und wer nicht

von Redaktion

München/Ludwigshafen – Wer wissen will, wie sehr Deutschlands Wirtschaft schwächelt, wird auf der Suche nach Belegen schnell fündig. Der Internationale Währungsfonds rechnet damit, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 0,3 Prozent schrumpft – als einzige unter mehr als 20 untersuchten Staaten und Regionen. Die Inflation schwächte sich im Juli zwar ab, bleibt aber auf vergleichsweise hohem Niveau. Steigende Zinsen verteuern derweil Kredite. Die Zahl der Firmeninsolvenzen stieg zuletzt. Zugleich sank die Industrieproduktion im Juni überraschend stark. Das gebe einen Vorgeschmack auf schlechte Produktionszahlen in den kommenden Monaten, sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

Auch Ifo-Präsident Clemens Fuest sagte im Juli zum Geschäftsklimaindex seines Institutes: „Die Lage der deutschen Wirtschaft verdüstert sich.“ Wie sich die trübe Konjunktur konkret auswirkt, zeigen Schlaglichter auf zwei Unternehmen – eines, das ins Ausland gehen kann, und eines, das dableiben muss.

Brücklmaier – der Bäcker

Sebastian Brücklmaier kennt das Geschäft mit Backwaren seit Kindestagen. Der 31-Jährige wuchs in der Backstube auf und führt die Bäckerei Brücklmaier in sechster Generation. In fünf Filialen in München und drei im Umland beschäftigt er rund 70 Menschen. Seine Umsätze seien inflationsbedingt gestiegen, aber der Absatz sei leicht zurückgegangen. Generell sei das Bäckerhandwerk nur moderat von konjunkturellen Phasen betroffen. Es gebe weniger absolute Tiefs und Hochs, „vielleicht weil wir Grundversorger sind“.

„Früher hatte ich beileibe nicht so hohe Raumkosten wie heute. Gerade in München ist es brutal“, sagt Brücklmaier. Auch die Materialkosten seien seit dem Ukraine-Krieg stetig gestiegen. Preiserhöhungen hätten die hohen Kosten nur zum Teil ausgleichen können. Für manche Kunden seien die Preise nun zu hoch.

Um zu sparen, griffen diese auf Produkte vom Discounter zurück. „Wir haben die Geiz-ist-geil-Mentalität“, sagt Brücklmaier. Sein akutestes Problem ist die Personallage. „Früher konnten sich die Arbeitgeber die Arbeitnehmer aussuchen.“ Heute habe sich das Blatt komplett gewendet. Eine Alternative zum Standort Deutschland gebe es nicht. Als Bäckerei habe er nicht die Möglichkeit, ins Ausland abzuwandern. Schließlich sei er regionaler Versorger.

BASF – der Chemieriese

Auch der Chemiekonzern BASF leidet unter der Konjunkturschwäche und vergleichsweise hohen Energiepreisen in Deutschland. Das Dax-Unternehmen kündigte infolgedessen Einschnitte an, die auch vor dem Stammwerk in Ludwigshafen nicht haltmachen. So baut BASF unterm Strich 2600 Stellen weltweit ab, fast zwei Drittel davon in Deutschland.

Am Hauptsitz legt der Konzern wegen gestiegener Gaspreise mehrere energieintensive Chemieanlagen still – etwa für Ammoniak. Davon sind weitere 700 Stellen in der Produktion betroffen. Mit den Sparprogrammen sollen die Fixkosten ab Ende 2026 jährlich rund eine Milliarde Euro niedriger liegen. Die Prognose für den Umsatz und bereinigten Betriebsgewinn für dieses Jahr senkte der Konzern bereits.

Vorstandschef Martin Brudermüller hat wiederholt teure Energie und zu viel Regulierung in Europa beklagt. BASF investiert nun verstärkt in den wichtigen Markt China: Bis zu zehn Milliarden Euro sollen in den neuen Standort Zhanjiang in der Provinz Guangdong fließen. Er soll die weltweit drittgrößte Produktionsstätte von BASF nach Ludwigshafen und Antwerpen werden. SABINA CRISAN, ALEXANDER STURM, ROBIN WILLE

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