München – Rosemarie Oberschätzl-Kopp ist nicht nur Agrarwissenschaftlerin beim Münchner BayWa-Konzern, sie ist selbst auf einem Bauernhof im Landkreis Ebersberg aufgewachsen. Sie sieht daher sofort, wenn Milchkühe im Sommer an Hitzestress leiden. „Ich erkenne es daran, dass die Kühe im Stall nicht mehr so viel liegen“, sagt sie. „Sie stehen vor allem dort im Stall, wo die Türen offen sind und wo die Ventilatoren hinblasen.“ Auch sammelten sich die Kühe an den Tränken. Die Tiere fressen weniger, produzierten weniger Speichel, der Pansen übersäuere. In den Folgemonaten könne die Fruchtbarkeit leiden, auch Klauenprobleme seien möglich, sagt sie.
Die Folge für den Landwirt: Die Milchleistung sinkt. „Hitzestress ist nicht nur für die Kühe unangenehm, nein, es wird auch für den Landwirt ein wirtschaftliches Thema“, sagt Rosemarie Oberschätzl-Kopp. Überraschend: Eine Milchkuh kann schon bei 20 Grad Hitzestress erfahren, wie die Expertin erläutert. Denn eigentlich liege die optimale Temperatur zwischen vier und 16 Grad. Anders gesagt: Der Sommer stresst die Kühe. Und da die Hitzeperioden angesichts des Klimawandels zuletzt stark zugenommen haben, steigt damit auch der Stresspegel im Stall.
Dabei gäbes es Möglichkeiten, das zu verhindern: Ein besseres Lüftungskonzept im Stall, mehr Schatten auf der Weide, eine Installation von Kuhduschen, Rosemarie Oberschätzl-Kopp nennt eine Reihe von Maßnahmen, die betroffene Landwirte ergreifen könnten. Aber offenbar geschieht das selten. Sie sei viel in Ställen unterwegs, sagt sie. „Von zehn Ställen haben acht Ställe kein ideales Management“, schätzt die Expertin. Selbst bei neuen Ställen fehlten oft Ventilatoren. „Da haben wir auf jeden Fall Nachholbedarf.“
Nach Ansicht von Josef Martin Bauer, Leiter der Pflanzenbauberatung bei der BayWa, muss auch der Ackerbau neu gedacht werden. Bauer verweist auf Daten der Wetterstation Freising-Weihenstephan: Demnach fiel in den vergangenen fünf Jahren zwar ausreichend Regen, ein genauer Blick in die Daten verrät aber: Im Winter regnete es zu viel, zur Aussaat im März und April mangelte es an Wasser. Niederschlagsarm war auch der Juli, der Hauptwachstumszeit der Pflanzen. Hinzu kommt eine Temperatur, die in den vergangenen fünf Jahren im Schnitt über 2,1 Grad über dem 30-jährigen Mittel lag. Das wenige Wasser verdunstete, die Böden trockneten aus.
Landwirte müssten sich der neuen Klimasituation anpassen, meint Franz Schmidl, Verkaufsberater Bewässerung bei der BayWa. „Die Kunst liegt darin, das Wasser zu speichern.“ Zum einen könnten Böden als Speicher dienen. Das oberflächennahe Grundwasser könne dann für die Bewässerung entnommen werden. Bei Sonderkulturen wie Obst, Gemüse oder Hopfen könne sich der Bau eines Speicherbeckens rentieren. Denn hier könne Trockenstress für Verluste von 10 000 Euro pro Hektar führen – der Bau eines Beckens koste dagegen nur zwei bis drei Euro pro Kubikmeter Wasser. „Das ist überschaubar und auch finanzierbar, wenn man bedenkt, dass hunderttausende Euro für Schlepper und Gebäude ausgegeben werden.“
Auch die landwirtschaftlichen Flächen selbst müssen fit gemacht werden, damit die Pflanzen Trockenperioden besser überstehen: „Eine Tonne Humus kann das 20-fache an Waser speichern im Boden“, sagt Hans Koch, Bodenexperte der BayWa. Humus lasse sich aufbauen, etwa durch ein besseres Zwischenfruchtmanagement und durch die Untersaat in stehende Bestände. Gemeint ist, dass beispielsweise zwischen den Mais-Reihen auf dem Acker zusätzlich humusfördernde Pflanzen ausgesät werden.
Oder Landwirte setzen auf andere Pflanzensorten. Als Beispiel nennt Experte Martin Josef Bauer Sojabohnen oder Sonnenblumen. „Es gibt Risiken, aber genauso auch Chancen“, sagt Bauer angesichts des Klimawandels. Der Experte bleibt aber Realist: „Wir werden nicht alles abfedern können“, sagt er. „Wir werden mehr und mehr schwankendere Erträge in Europa haben, als wir das von der Vergangenheit gewohnt sind.“ Man könne aber versuchen, das Beste daraus zu machen.