München – Eine Trinkflasche für 87 Cent, Damen-Sneaker für 6,28 Euro, eine Smartwatch für 10,47 Euro – der aus China stammende Online-Marktplatz Temu sorgt seit dem Frühjahr mit extremen Schnäppchenpreisen für Aufsehen in Deutschland. Hinzu kommt aggressive Werbung in Sozialen Medien. Mit seinem Motto „Shoppe wie ein Milliardär“ ist Temu auf nahezu allen Kanälen präsent. Die Strategie scheint gut anzukommen: Die Temu-App liegt sowohl bei Google als auch bei Apple an der Spitze der am häufigsten heruntergeladenen Smartphone-Anwendungen. Doch Verbraucherschützer sehen die App kritisch. Fragen und Antworten:
Was ist Temu?
Temu ist eine chinesische Shopping-Plattform, die Waren aus den Bereichen, Mode, Haushalt, Spielzeug und Elektronik zu unglaublich niedrigen Preisen anbietet. Temu wirbt mit Gratisversand, Rabatten in Höhe von bis zu 90 Prozent und lockt die Kunden zudem mit spielerischen Aktionen wie Guthaben-Codes oder einem Rabatt-Glücksrad. Seit dem Frühjahr ist Temu auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern aktiv. Hinter dem Europa-Geschäft steht den Temu-Nutzungsbedingungen zufolge die Whaleco Inc. mit Sitz im irischen Dublin. Laut „Forbes“ und chinesischen Medienberichten gehört Whaleco der chinesischen PDD Holding, die in China mit der Plattform Pinduoduo erfolgreich ist.
Wie funktioniert der Online-Marktplatz?
Die Plattform Temu ist ähnlich aufgebaut wie andere Online-Marktplätze, etwa die US-Unternehmen Amazon und Wish. Kunden können in der App oder auf der Webseite ein Benutzerkonto anlegen und dann Waren aus verschiedenen Kategorien bestellen. Anders als Amazon lagert Temu allerdings keine Waren und tritt auch nicht als Verkäufer auf. Temu vermittelt – ähnlich wie Wish – zwischen Warenanbietern und Käufern. Wer ein Produkt kauft, schließt den Vertrag also direkt mit dem jeweiligen Hersteller ab. Nach Angaben der Webseite bieten mehr als elf Millionen Produzenten ihre Waren auf Temu an. Die meisten dürften ihren Sitz in China haben.
Was kritisieren die Verbraucherschützer?
Iwona Husemann, Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale NRW, warnt: „Die günstigen Preise kommen nicht von irgendwo. Bei den Produkten handelt es sich überwiegend um billige No-Name-Artikel, die massenweise hergestellt werden.“ Nicht einmal die Echtheit der Ware sei verlässlich, sagt Husemann. Tatsächlich macht Temu daraus auch keinen Hehl. In den Nutzungsbedingungen heißt es: „Wir garantieren keine Existenz, Qualität, Sicherheit, Eignung oder Rechtmäßigkeit der Produkte oder Wahrhaftigkeit, Genauigkeit oder Rechtmäßigkeit von den in den Produktauflistungen enthaltenen Informationen.“ Und weiter: „Darüber hinaus sind wir nicht verantwortlich dafür, dass ein Verkäufer eine Bestellung tatsächlich abschließen wird.“ Mit anderen Worten: Ob die Ware geliefert wird, ist unter Umständen Glücksache.
Gibt es auf Temu echte Schnäppchen?
Experten raten zur Vorsicht, zumindest aber zum genauen Hinsehen. Das WDR-Magazin Servicezeit hat bei einem Probeeinkauf etliche Mängel festgestellt. Demnach waren manche Produkte schlecht verpackt und schon beim Eintreffen beschädigt. Bei elektronischen Geräten hätten deutschsprachige Bedienungsanleitungen sowie das CE-Zeichen gefehlt. Damit dokumentiert der Hersteller, dass die Ware den EU-Richtlinien für das Produkt entspricht. Da die Produkte direkt bei den Herstellern bestellt werden, können zusätzliche Kosten wie etwa die Einfuhrumsatzsteuer auf die Käufer zukommen.
Sind Rücksendungen möglich?
Retouren sind nach Angaben von Temu innerhalb von 90 Tagen ab Kaufdatum kostenlos möglich. Rücksendungen gehen demnach an eine Adresse in Frankfurt, das Geld für die Artikel wird zurückerstattet. Den Nutzungsbedingungen zufolge deckt die Rückerstattung allerdings „keine Zölle, Steuern oder Rücksendekosten ab, die Ihnen im Rahmen des Rückerstattungsprozesses entstehen können“. Darüber hinaus sind zum Beispiel Waren, bei denen die Verpackung entfernt wurde, von der Rücksendung ausgeschlossen. Das sei rechtlich nicht in Ordnung, heißt es bei der Verbraucherzentrale NRW. Denn auch ohne Originalverpackung dürfe der Händler die Rücknahme nicht verweigern.
Was sagen die Kunden?
Auf der Internet-Bewertungsseite „Trustpilot“ erhält Temu immerhin zu 49 Prozent Top-Bewertungen mit 5 Sternen. Demgegenüber stehen 31 Prozent Bewertungen mit nur einem Stern, was die niedrigste Bewertungsmöglichkeit ist. Auffällig ist, dass in vielen der sehr guten Bewertungen zugleich auch Codes genannt werden, mit denen man Guthaben für Bestellungen bei Temu erhalten kann. Mehrere Nutzer des Bewertungsportals äußern den Verdacht, dass es sich dabei möglicherweise nur um eine weitere Variante der vielfältigen Temu-Werbemaßnahmen handelt.