In Deutschland bekommen Gesetze seit geraumer Zeit hübsche Namen: Wir erinnern uns an das Gute-Kita-Gesetz oder die Respektrente. Jüngst durfte sich Deutschland über ein neues Gesetz freuen, das das Bundeskabinett auf seiner Klausurtagung auf Schloss Meseberg beschlossen hat. Es soll Unternehmen steuerlich entlasten und Investitionen in den Klimaschutz mit einer Prämie fördern: das Wachstums-chancengesetz.
Der Name impliziert, dass die Politik nun den Weg für jegliches Wachstum geebnet hat: Jede Unternehmerin und jeder Unternehmer hat es nun selbst in der Hand, die Chancen sind da. Doch weit gefehlt. Seit 2018 stecken wir in einer industriellen Rezession. Die Wirtschaft wächst viel zu langsam, das Land bleibt hinter seinen Erwartungen zurück. Das Wirtschaftswachstum dümpelt nur noch vor sich hin, ganz anders als in den Jahren vor Corona.
Gleichzeitig werden die Herausforderungen größer, insbesondere die ökologische Transformation macht ein konsequentes Handeln notwendig. Noch immer denken einige, dass Klimaschutz nur ohne Wachstum geht, doch die Realität lehrt uns derzeit das Gegenteil. Investitionen kommen zum Erliegen, auch solche, die dem Klimaschutz zugutekommen.
Ohne starkes Wachstum und Wertschöpfung wird es keinen Klimaschutz geben. Das Wachstumschancengesetz enthält wichtige Änderungen: Unternehmen können Verluste nun umfangreicher steuerlich absetzen, Gebäude können zeitlich begrenzt degressiv abgeschrieben werden. Auch die Investitionsprämie ist zu begrüßen. Doch wenn das erklärte Ziel Wachstum lautet, ist das neue Gesetz kein großer Wurf.
Wer sichtbare Verbesserungen will, muss an die zentralen Wachstumshemmnisse ran. Und die bestehen nicht erst seit gestern, sondern treiben ihr Unwesen seit vielen Jahren. Die letzte große Steuerreform für Unternehmen liegt mittlerweile fast 15 Jahre zurück. Seitdem stagniert die Unternehmenssteuer auf hohem Niveau, während andere Staaten mit der Zeit gehen.
Die Folge: Im vergangenen Jahr lag die effektive Steuerbelastung für deutsche Unternehmen bei knapp 29 Prozent – das sind rund zehn Prozentpunkte mehr als im Schnitt der EU. Dafür bekommen die Unternehmen hierzulande weniger als anderswo: kaputte Straßen, schlechtes Breitbandnetz, überfüllte Schienen und eine ineffiziente Verwaltung. Die einstigen Vorteile, etwa das gute Fachkräfteangebot, schwinden zunehmend.
Es bräuchte eine echte Wachstumsagenda, angefangen bei konkurrenzfähigen Strompreisen, über die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, was immerhin Entlastungen von sieben Milliarden Euro für Unternehmen bringen würde. Aber auch eine bessere steuerliche Forschungsförderung und ein großzügiger steuerlicher Verlustabzug würden mehr Raum für Zukunftsinvestitionen schaffen.
Das Problem: die Schuldenbremse. Sie entpuppt sich zunehmend als Wachstumsbremse, im Bundeshaushalt ist daher kein Platz für solche Projekte. Indirekt führt sie so zum Koalitionsstreit, es muss gespart werden. Das führte vor wenigen Wochen dazu, dass Ministerin Paus das Wachstumschancengesetz blockiert hat. Ein maximal schädliches Verhalten, dass die Hoffnung auf einen schwungvollen Start nach der Sommerpause willkürlich zunichtegemacht hat. Dabei sollte die Regierung die psychologische Wirkung solcher Streitereien nicht unterschätzen. Denn mit zerstörtem Vertrauen und dahinsiechender Zuversicht wird Transformation zum Wunschdenken.