Elon Musk und seine Dämonen

von Redaktion

Berlin – Elon Musk hat so viel Einfluss auf die Welt wie nur wenige. Er führte Tesla und SpaceX zum Erfolg – zugleich wirkt er oft rücksichtslos, unberechenbar und anfällig für Verschwörungstheorien. Eine Biografie versucht, hinter die Kulissen von Musks Leben zu blicken.

Kurz vor Weihnachten 2022 beschloss Elon Musk, dass der Umzug eines Rechenzentrums nicht so schwierig sein kann. Knapp zwei Monate zuvor hatte er Twitter gekauft, die Firma verlor Geld – und der Betrieb der Anlage im kalifornischen Sacramento kostete über 100 Millionen Dollar im Jahr. Manager warnten zwar, ein sicherer Umzug der Server in ein Twitter-Rechenzentrum in Portland sei erst in sechs bis neun Monaten möglich. Doch aus Sicht von Musk wären zwei Wochen mehr als genug: „Mit einem verdammten Umzugswagen schafft ihr es vermutlich sogar selbst.“

Bei Worten sollte es nicht bleiben. Als Musk mit Freunden und Familie im Privatjet für die Weihnachtsfeiertage unterwegs nach Texas war und seinem Ärger Luft machte, hatte sein Cousin James eine spontane Idee. „Warum machen wir es nicht gleich?“, fragte er. Musk ließ den Piloten drehen, und wenig später stand die Gesellschaft am Freitagabend im Rechenzentrum zwischen 5200 kühlschrankgroßen Serverracks. Bewaffnet mit dem Taschenmesser seines Sicherheitschefs kletterte er unter den Boden, brach eine Konsole auf und zog den Stecker. Nach Weihnachten holten Musks Leute und Umzugshelfer 700 tonnenschwere Serverschränke binnen drei Tagen aus der Anlage – und den Rest im Januar.

Die Episode, die Musk-Biograf Walter Isaacson in seinem gestern erschienenen Buch schildert, zeigt die Einstellung, mit der der 52-Jährige den Elektroautobauer Tesla und die Weltraumfirma SpaceX zum Erfolg peitschte. Musk hinterfragt Autoritäten und Regeln, duldet keine Widerrede, setzt irrwitzige Fristen, mutet Mitarbeitern viel zu, packt selbst mit an. Und fällt damit manchmal auf die Nase. Dass die ersten drei SpaceX-Raketen abstürzten, ging auch auf Musks Ungeduld und Spardrang zurück. Genauso war der überhastete Umzug der Twitter-Server keine gute Idee: Die Folge waren monatelange Störungen und „regelrechte Kernschmelzen im System“.

Nur wenige haben so viel Einfluss auf die Welt wie Elon Musk heute. Dass er mit Tesla die Autobranche auf den Weg zu Elektrofahrzeugen brachte und dank seiner Aktien zum reichsten Menschen der Welt wurde, ist nicht einmal das Wichtigste. Die USA kommen nicht ohne Raketen von SpaceX aus. Die Ukraine ist im russischen Angriffskrieg auf sein Satellitensystem Starlink angewiesen.

Seine Weichenstellungen bei Twitter, das er in X umbenannte, könnten den nächsten Wahlkampf ums Weiße Haus beeinflussen – der mit einer möglichen Rückkehr von Donald Trump folgenschwer sein könnte.

Und das alles, während Musk nicht nur zusehends ins rechte politische Spektrum abdriftete, sondern auch abstruse Verschwörungstheorien weiterverbreitete, die Gefahren durch das Coronavirus kleinredete und Medien vorhielt, „rassistisch“ gegenüber Weißen zu sein. Dem jüdischen Finanzier George Soros, der oft Ziel antisemitischer Verschwörungstheorien ist, unterstellte Musk, dieser hasse die Menschheit. An der Frage, was in Musks Kopf vorgeht, ist damit mehr dran als voyeuristisches Interesse am Leben eines Milliardärs. Isaacson, der mit Musk seit 2021 in engem Kontakt stand, bemüht sich nach Kräften, den Vorhang zu lüften.

In dem 800 Seiten langen Buch fügt sich ein psychologisches Porträt Musks. Er sei „süchtig nach Risiko und Drama“, schreibt Isaacson. Er sei ein Getriebener, der keinen Erfolg lange genießen könne. Seine emotionale Verfassung schwanke „zwischen hartherzig, bedürftig und überschwänglich“. Die Musikerin Grimes, die drei seiner Kinder zur Welt brachte, spricht vom „Dämon-Modus“, in dem Musk sich „in den Sturm in seinem Kopf“ zurückziehe. „Aber in diesem Modus kriegt er eben auch jede Menge gewuppt.“ ANDREJ SOKOLOW

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